Landeshauptstadt: Fingerzeig an China
Potsdam ehrt kritischen Blogger mit Medienpreis
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Michael Anti kann man nicht abschalten – selbst der Mediengigant Microsoft ist daran gescheitert. Der 36-jährige Chinese twittert, bloggt und berichtet im Netz über Korruption und Filz in seinem Land. Er arbeitete als Reporter im Irak und war für die New York Times sowie die Washington Post tätig. Am Donnerstag wird der Regimekritiker in Potsdam mit dem Medienpreis der Potsdamer Medienkonferenz M100 ausgezeichnet.
Die Ehrung von Jing Zhao, wie Anti mit bürgerlichem Namen heißt, sei ein Fingerzeig in Richtung China, sagte Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) gestern bei der Bekanntgabe des Preisträgers. Mit der Ehrung reiht sich Anti ein in die Liste früherer Preisträger, wie dem Zeichner der Mohammed-Karikaturen, Kurt Westergaard, oder die einst entführte Präsidentschaftskandidatin Kolumbiens, Ingrid Betancourt. Mittlerweile habe sich die Medienkonferenz – zu der seit sieben Jahren internationale Chefredakteure und Medienmacher eingeladen werden – zu einer Institution in der Medienlandschaft entwickelt, so Jakobs. Deshalb könne es sich der Mediengipfel leisten, auch weniger prominente Akteure wie Anti in den Vordergrund zu heben.
Michael Anti – vor zehn Jahren gab er sich aus Protest einen neuen Namen – sei einer der meistgelesenen Blogger Chinas und ein enger Freund des Nobelpreisträgers Liu Xiaobo. Man wisse, dass totalitäre Regime ein Problem mit sozialen Netzwerken und Bloggern haben. Zuletzt sei das bei den arabischen Revolutionen deutlich geworden. Deshalb widme sich der Gipfel dem Thema, sagte Jakobs.
Insgesamt werden 100 Teilnehmer erwartet, zum Teil auf Einladung der Stadt und von Sponsoren, wie dem Auswärtigen Amt, Google, Audi oder Airberlin. Die Kosten für die Konferenz und einen Jungjournalisten-Workshop betragen 200 000 Euro.
Zu den Gästen zählen Redakteure von Bild, der Welt, dem Tagesspiegel, Stern, Spiegel, der ARD und der PNN. Auch Ahmed Sheikh, Ex-Chef von Al Jazeera, und Elizaveta Osetinskaya von Forbes Russia oder der ägyptische Blogger Fathi Abou Hatab sind zu Gast. Hauptrednerin ist die tunesische Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Sihem Bensedrine. Begrüßt werden die Teilnehmer von Ministerpräsident Matthias Platzeck. Den Ehrenpreis des Kongresses erhält der britische Verleger und Journalist Lord George Weidenfeld. Die Laudatio hält der österreichische Alt-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Den Preis an Anti wird ZDF-Chef Peter Frey in der Orangerie überreichen. Die Preise sind undotiert.
Anti werde seinen Ehrung persönlich entgegennehmen, sagte Oberbürgermeister Jakobs. „Wir gehen davon aus, dass er auch wieder nach China zurückkehren kann.“ Tobias Reichelt (mit dapd)
Tobias Reichelt (mit dapd)
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