Landeshauptstadt: Fische im Netz
Der Bildhauer Carl Constantin Weber aus Potsdam hat für eine Kirche in Braunschweig den Taufstein geschaffen
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Da ist dieser Stein, portugiesischer Marmor. Ein bearbeiteter Stein, aus dessen Innerem Fische hervorzubrechen scheinen. Wie aus einem gerissenen Netz quellen sie hervor, gefangenen in dem Moment ihrer wiedererlangten Freiheit.
Der Potsdamer Carl Constantin Weber hat diesen Marmorblock bearbeitet. Drei Monate lang ist er dafür Ende vergangenen Jahres, drei, manchmal vier Tage in der Woche, nach Braunschweig gefahren und hat in der Werkstatt eines Steinmetz den Stein geformt. Er hat Fische von einem Markt gekauft, sie neben den Marmorblock gelegt und an ihnen die Formen studiert, die er dann in den Stein trieb. Wer die gedrängten Fische mit ihren geöffneten Mäulern sieht, das Netzmuster auf dem hellen Marmor, der will das berühren, den Formen nach streichen. Für Weber ist das kein Problem. Der 41-Jährige wünscht es sich sogar, dass vor allem Kinder diesen Stein berühren und entdecken.
„Die Fische sind in der Höhe, dass Kinder zwischen fünf und acht Jahren sie vor ihren Augen haben“, sagt Weber. In der kommenden Woche wird er mit seiner Familie nach Braunschweig fahren, in die Aegidien-Kirche und in dem von ihm bearbeiteten Stein seine jüngste Tochter taufen lassen. Carl Constantin Weber, seine Frau und die beiden älteren Kinder werden um seinen Taufstein stehen, wenn die Jüngste in die Kirche aufgenommen wird. Und vielleicht wird Weber dabei beobachten, wie eines seiner anderen Kinder mit den Fischen spielt.
Vor über zwei Jahren hatte Weber, Bildhauer und Architekturprofessor in Dessau, auf Einladung an einem Wettbewerb für den Taufstein teilgenommen. Weber wurde in Wolfsburg geboren, sein Vater war in Braunschweig ein bekannter Bildhauer und vor der Ausschreibung für die Aegidien-Kirche hatte Weber schon in vier anderen Kirchen im norddeutschen Raum Aufträge ausgeführt. Er gewann den Wettbewerb in Braunschweig schließlich, weil er nicht nur ein Modell für einen Taufstein vorstellte.
Weber hatte sich die Kirche in Braunschweig genau angeschaut und in seinem Potsdamer Atelier in einem Modell nachgebaut. Dann begann die abstrakte Phase, wie er es nennt. Weber hat mit Modellen und Formen gespielt und schnell gemerkt, dass ein Taufstein allein in dieser großen gotischen Hallenkirche verloren wirken würde. „So ein Taufstein darf nicht wie ein Möbelstück stehen, das beliebig umgestellt werden kann.“ Daraufhin hat Weber ein Modell von einem Baptisterium – einen eigenen Taufbereich, zu dem neben dem Taufstein auch ein eigener Fußboden und ein Osterleuchter gehört – bei der Jury eingereicht und damit überzeugt.
Aber warum die Fische, die aus dem gerissenen Netz hervorspringen? Der Fisch ist in der Bibel ein Symbol für Jesus und die Wiederkehr des Lichts, sagt Weber. Die ersten Jünger Jesu waren mit Petrus und Jakobus Fischer, denen er am See Gennesaret begegnete und ihnen nach erfolglosem Fischzug doch noch volle Netze bescherte. Auch nach seinem Tod und der Wiederauferstehung füllte er seinen Jüngern im See Tiberias die Netze, um sie von ihren Zweifeln zu befreien.
„Das Netz mit den Fischen greift auch das Bild vom Menschenfischen auf.“ Und aus seinem Konfirmandenunterricht weiß Weber noch, dass an der Wand ein Fischernetz hing und die Namen derer auf Papierfischchen in das Netz gehängt wurden, die bald als Erwachsene in der Kirche begrüßt wurden.
Dann zeigt Weber ein Modell des Fußbodens, auf dem der Taufstein steht. Auf den ersten Blick wirkt er wie ein kreisrundes Labyrinth, an dessen Enden und mittendrin Buchstaben stehen. „Die einzelnen Buchstaben stehen für die zwölf Jünger, der Taufstein für Jesus in der Mitte und die verschlungenen, miteinander verbundenen Linien verdeutlichen, dass alle Wege zu Jesu führen“, erklärt Weber. Den Osterleuchter, der allein 1, 60 Meter messen soll, hat Weber noch nicht fertig. Aber an einem Modell zeigt er, welche christlichen Motive er hier verwendet hat: Einen Ölbaum, der im Wasser steht und auf dessen Spitze eine Taube sitzt. Und wieder erzählt Weber von den zahlreichen Ebenen, die in diesen Motiven stecken.
„Die Bibel ist so bilderreich“, sagt Weber. Und dieser Bilderreichtum fasziniere ihn immer wieder. „Hinzu kommt, dass diese Bilder in ihrer Vielschichtigkeit anders betrachtet werden.“ Es gehe nicht um sinnliche Momente. Diese Bilder erzählen eine tiefgreifende Geschichte und das Betrachten, die damit verbundene Auseinandersetzung sei auch eine Meditation über das entsprechende Bild. Eine Meditation, die bei Webers Arbeiten nicht nur verführt, sie zu berühren, sondern regelrecht dazu auffordert.
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