Aus dem GERICHTSSAAL: Flaschenwürfe auf Autos
Spuren auf den Scherben nicht zu verwerten – Freispruch
Stand:
Gerda G.* (69) bewegt sich mühsam an zwei Krücken in den Verhandlungssaal. Stöhnend nimmt sie auf der Anklagebank Platz. Sieht so eine Frau aus, die mit Wucht leere Schnapsflaschen auf Autos pfeffert, die unter ihrem Fenster im Kirchsteigfeld parken? Die Staatsanwaltschaft legt der Gichtkranken Sachbeschädigung in zwei Fällen zur Last. „Ich war das nicht“, beteuert Gerda G. erregt. Der Adoptivsohn – er tritt mit Einwilligung des Gerichts als Beistand der Angeklagten auf – ergänzt: „Meine Mutter ist stark in ihrer Bewegung eingeschränkt. Sie hätte gar nicht die Kraft, Flaschen aus der vierten Etage so weit zu schleudern, dass sie auf den Autos landen.“ Zudem habe die Polizei bei einer Hausdurchsuchung keine Schnapsflaschen bei ihr gefunden.
„Sie haben aber ein Alkoholproblem?“, vergewissert sich Amtsrichterin Birgit von Bülow bei der Potsdamerin. Gerda G. nickt beschämt. „Sie ist nicht auffällig, wenn sie getrunken hat“, stellt der Sohn klar. „Im Grunde will meine Mutter nicht wahrhaben, dass sie alkoholabhängig ist. Sie hat ja auch immer versucht, es vor mir zu verbergen. Da wird sie doch keine Schnapsflaschen aus dem Fenster schmeißen.“ Gerda G. vermutet, ihr Nachbar Egon E.* schmiede eine Intrige gegen sie. „Früher haben wir oft gemeinsam gefeiert. Ich habe ihm auch mal eine größere Menge Bargeld geborgt. Aber wiederbekommen habe ich noch längst nicht alles“, beschwert sie sich. „Seit ich ihn gemahnt habe, herrscht Krieg zwischen uns. Jetzt behauptet er, ich habe sein Auto eingedellt.“ Die andere Familie, deren Fahrzeug ebenfalls durch Flaschenwürfe lädiert wurde, kenne sie überhaupt nicht, so die Angeklagte.
„Hausbewohner haben mir erzählt, dass Frau G. schon öfter Sachen aus dem Fenster geworfen hat“, berichtet Egon E. (48), sobald er auf dem Zeugenstuhl Platz genommen hat. Der arbeitslose Maurer äußerte gegenüber der Polizei den Verdacht, die Angeklagte könne die Übeltäterin sein. „Haben Sie gesehen, dass sie die Flaschen geworfen hat?“, hakt die Vorsitzende nach. Der Zeuge entgegnet, er habe lediglich einen Knall vernommen, aus dem Fenster geschaut, die Kerbe im Autodach und Scherben in unmittelbarer Nähe seines Gefährts gesehen. „Hat man denn auf denen keine Fingerabdrücke gefunden?“, fragt er. Richterin von Bülow hält dagegen: „Laut Protokoll der Spurensicherung wurden auf den sichergestellten Flaschenscherben der Marke Wilthener Goldkrone keine geeigneten Papillarleisten sichergestellt.“ Vor Gericht gelte nur das, was bewiesen sei. Man könne der Angeklagten nicht mit der für eine Verurteilung nötigen Sicherheit nachweisen, dass sie die Flaschenwerferin war. Deshalb sei sie von dem Vorwurf freizusprechen. (*Namen geändert.) Hoga
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