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Landeshauptstadt: Flatterband oder Verhandeln

Nach dem Urteil zu den Betretungsrechten am Griebnitzsee kann der Uferweg gesperrt werden – muss aber nicht

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Von Michael Erbach

Wird der Uferweg am Griebnitzsee gesperrt? Das ist nach dem gestrigen Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Berlin die bange Frage für viele Nutzer des Uferwegs. Denn – juristisch gesehen – hätten seit gestern Abend acht Grundstückseigentümer das Recht, den Weg abzusperren.

„Ich mache auf jeden Fall dicht, wenn ich gewinne“, sagt am Vormittag eine Frau an einem Grundstückszaun der Rudolf-Breitscheid-Straße. Das Grundstück gehöre ihrer Familie „und zwar bis zum Ufer“. Doch zwischen Uferstreifen und Zaun liegt der Uferweg, der seit der Wende – als die Mauer fiel – öffentlich genutzt wird.

Und auch an diesem frühlingshaften Morgen sind hier Fußgänger, Radfahrer, Jogger unterwegs. Allerdings können sie sich diesmal nicht so frei bewegen wie sonst: Eine große Menschengruppe blockiert den Weg immer wieder. Journalisten umlagern Anwälte, Anwohner, Politiker. Ortstermin, angeordnet vom Oberverwaltungsgericht. Der Grund: Die Besichtigung von acht Grundstücken soll bei der Klärung der Frage helfen, ob es sich bei den Grundstücken um freie Landschaft handelt – oder um Privatgärten.

Was so banal klingt, ist eine der entscheidenden Fragen bei der Auseinandersetzung um den Uferbereich am Griebnitzsee. Bislang hatte sich die Stadt Potsdam auf den Standpunkt gestellt, dass es sich bei dem Bereich zwischen dem früheren Kolonnenweg der DDR-Grenztruppen und dem Ufer um freie Landschaft nach dem brandenburgischen Naturschutzgesetz handelt – demnach bestünden auch Betretungsrechte für die Öffentlichkeit. Dagegen hatten acht Anlieger geklagt, weil es sich nach ihrer Ansicht um privat genutzte Gärten auf ihren Grundstücken handele. In drei Fällen hatten sie vor dem Verwaltungsgericht Potsdam Recht bekommen, in fünf Fällen setzte sich die Stadt durch.

Beim gestrigen Berufungstermin sehen sie sich alle wieder, denn die jeweils Unterlegenen hatten die nächste Instanz angerufen. Und der Vorsitzende Richter Gerd Laudemann, der den Menschenpulk anführt, kontrolliert genau. Alle Beobachtungen werden auf Band gesprochen.

Einige Grundstücke vermitteln dabei durchaus den Eindruck, es seien Gärten. Gartenmöbel, Sträucher, Blumen, feiner Rasen werden als Beweis notiert. Oder es zeigt sich, dass das Grundstück vom Haus bis zum Ufer praktisch eine geschlossene Fläche darstellt – anscheinend nur durch den Uferweg zerteilt. Potsdams Rechtsanwalt Uwe Graupeter weist darauf hin, dass extra Zäune abgebaut worden seien, um diesen Eindruck zu suggerieren. Und ein älterer Herr sagt, dass Gartenmöbel wohl extra aufgestellt worden seien, um eine Gartennnutzung vorzutäuschen.

Ob das Richter Laudemann beeindruckte? Wohl nicht, denn bei der Fortsetzung der Verhandlung im Gebäude des Oberverwaltungsgerichts in der Berliner Hardenbergstraße spielen die Ergebnisse des Vor-Ort-Termins zunächst keine Rolle. Vielmehr wird heftig darüber debattiert, was eigentlich freie Landschaft ist. Graupeter erklärt, es handele sich beim geplanten Uferpark um einen 2,8 Kilometer langen durchgehenden Streifen am Griebnitzseeufer mit einer Fläche von 120 000 Quadratkilometern, also um freie Landschaft. Die Gegenseite betont, die einzelnen Grundstücke müssten in Betracht gezogen werden, dabei zeige sich, dass es sich um Grundstücke mit Wohnbebauung und Gartenland handele. Der Vorsitzende lässt an dieser Stelle schon durchblicken, dass er sich unter freier Landschaft „etwas Weitläufiges, Großzügiges in der Natur“ vorstelle.

Am späten Abend dann folgerichtig das Urteil: Keine Betretungsrechte für alle Grundstücke, über die vor Gericht verhandelt wurde. Und schon taucht bei Prozessbeobachtern sofort die Frage auf: Wird der Uferweg jetzt abgesperrt? Möglich wäre es, aber: Da es einen B-Plan gibt, darf der Weg nicht mit genehmigungspflichtigen Bauwerken versperrt werden – aber beispielsweise mit einem Flatterband oder durch einen Wachschutz. Von anwesenden Grundstückseigentümern erklärt keiner, dass er dies vorhabe. „Wir werden nicht absperren. Wir wollen aber, dass die Stadt endlich mit uns vernünftig verhandelt – und zwar auf gleicher Augenhöhe“, so einer der Anrainer. Was tatsächlich passiert, werden die nächsten Tage und Wochen zeigen. Oder schon der heutige Tag.

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