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Klaus Gerhard Saur über die emigrierten Verleger

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Klaus Gerhard Saur, lebende Legende unter den deutschen Nachkriegsverlegern, kann es an Scharfsinn, Unterhaltsamkeit und Pointierung noch gut mit jüngeren Kollegen aufnehmen. Schon vor Jahren diskutierte der 69-jährige im Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum über „Die Zukunft des Buches“. An gleicher Stelle nahm er sich am Montag vor zahlreichem Publikum eines viel dramatischeren Themas an – der „Deutschen Verleger in der Emigration von 1933-1945“.

Der Gastredner, der in den 1960er und 70er Jahren mit dem K. G. Saur Verlag bis nach London, Paris und New York expandiert war und später Erfolgsgeschichte beim renommierten Wissenschaftsverlag de Gruyter schrieb, offerierte Kurzweiliges und dabei doch sehr Nachdenkliches. Schätzungsweise 450 000 Deutsche seien, so Klaus Gerhard Saur, während der nationalsozialistischen Herrschaftszeit aus dem Land der Dichter und Denker geflohen, unter ihnen etwa 1500 Verleger und Buchhändler, aber auch um die 2000 Schriftsteller und Autoren – „und dabei fast alles bedeutende Köpfe“.

Manch erfolgreiche Verleger aus Zeiten der Weimarer Republik – wie Brigitte Bermann Fischer, Kurt Wolff und Theodor Schocken – hatten rechtzeitig die Konsequenz zur Ausreise gezogen, doch der Großteil der Zunftgenossen verharrte zwischen Rhein und Elbe. Um die 600 Buch- und Zeitschriftenverlage sollen die Nationalsozialisten dann „arisiert“ haben. Etwa die gleiche Zahl an Verlagshäusern gründeten deutsche Emigranten fast zeitgleich rund um den Globus – wie beispielsweise „El libro libre“ in Mexiko (unter Leitung von Walter Janka), den Karger-Verlag in Basel und den Querido-Verlag in Amsterdam.

„Natürlich hatten die neuen Häuser mit erheblichen Absatzproblemen zu kämpfen“, erklärte Saur. Doch gleichzeitig zeichneten sich viele Emigranten durch Flexibilität und Geschick aus, in besonderer Weise auch in den USA. So gründete der einstige Leipziger Walter Johnsohn den das Haus „Academic Press“, das rasch zum zweitgrößten Verlag der Vereinigten Staaten aufstieg, und Kurt Enoch etablierte mit der „New American Library“ den ersten amerikanischen Taschenbuchverlag überhaupt.

Nicht unerwähnt ließ der prominente Gast, der auch als Honorarprofessor an der Humboldt-Universität Berlin lehrt und im Vorstand der Vereinigung „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ agiert, bei den Amerika-Emigranten auch die einstige Fürtherin Marie Sara Rosenberg. Nach ihrer Flucht über die Schweiz und England gründete die resolute Buchhändlerin Ende der 30er Jahre in New York den noch heute bestehenden Verlag „Mary S. Rosenberg Publishers“.

In deutscher Sprache, so Saur, seien von den NS-Exilanten zwischen 1933 und 1945 immerhin um die 6000 Titel verlegt worden – die meisten davon belletristische Werke. „Nach wie vor fehlt dazu eine Gesamtbibliographie“, bemerkte der Redner mit bedauerndem Unterton. „Und natürlich müsste das einmal in Buchform erfasst werden“. Eine Steilvorlage wohl an die anwesenden jungen Literaturwissenschaftler und Doktoranden, die bestehende Forschungslücke möglichst bald zu schließen.

Individuell sehr unterschiedlich sah die Geschichte der deutschen Exil-Verleger nach Kriegsende 1945 aus. Einige kehrten zurück und etablierten sich nochmals unter nunmehr demokratischen Bedingungen, andere hatten Bestimmung und persönlichen Erfolg anderswo gefunden. Doch für Deutschland an sich blieb – wie auf anderen Feldern auch – ein irreversibler Substanzverlust. „Vor 1933 waren wir die Spitzen-Nation beim Verlegen von Wissenschaftsliteratur“, meinte ein nachdenklicher Verleger Saur schließlich. „Doch damit war es schon in den ersten Jahren der Nazi-Diktatur vorbei“, schloss er. Henri Zimmer

Henri Zimmer

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