Von Erhart Hohenstein: Fliederfarbene Schmuckstücke
Aus dem Depot ins Marmorpalais: Zwei Vasen für die Wedgwoodsammlung
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Vom Deckel der Vase steigt ein Pegasus auf. Von ihrem mittelblauen Keramikgrund hebt sich weiß ein Kithara-Spieler (vielleicht Homer) ab, der von geflügelten Wesen zum Dichterkönig gekrönt wird. In der Sonderführung „Zerbrechliche Kostbarkeiten“ zeigte gestern im Marmorpalais die stellvertretende Kastellanin Anna Krawczyk auch diese berühmte und sehr seltene „Pegasus-Vase“, von denen gleich zwei im Konzertsaal stehen. Sie wurden von ihrem Schöpfer Josiah Wedgwood (1730 - 1795) als sein „schönstes und vollkommenstes“ Werk bezeichnet.
54 Vasen und einige andere Arbeiten aus der 1759 in der englischen Grafschaft Staffordshire aus einer einfachen Töpferei entstandenen und bald weltberühmten Wedgwood-Manufaktur stehen im Marmorpalais. Zwei fliederfarbene sind jetzt neu hinzugekommen, sie wurden im Depot der Stiftung entdeckt. Die Sammlung ist nach der im Dessau-Wörlitzer Schloss die zweitgrößte ihrer Art in Deutschland. Der Dessauer Fürst Leopold Friedrich Franz war es auch, der den preußischen König Friedrich Wilhelm II. auf den Reiz der Kunstwerke aufmerksam gemacht hatte. In unvergleichlicher Zartheit spiegeln die Ausgrabungsfunden, etwa in Pompeji nachgeformten Vasen in Black Basalt (Gold auf Schwarz) und Jasper (Weiß auf Mittelblau oder Olivgrün und nun auch fliederfarben), Szenen der antiken Mythologie.
Anna Krawzcyk erzählte der stattlichen Besucherschar die Geschichte der Potsdamer Wedgwood-Vasen. Bis 1796 waren sie angekauft und im neu errichteten königlichen Sommerschloss vor allem als Kaminsätze im Konzertsaal, im Musikzzimmer, in der Braunen Kammer, im Landschaftszimmer, in der Parolekammer und im Ankleidezimmer aufgestellt worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor das Marmorpalais zahlreiche Kunstwerke. Als Beutekunst gingen auch die Wedgwood-Vasen nach Moskau, wurden aber 1953 zurückgeben. Ins Schloss kamen sie zunächst nicht wieder, denn das diente ab 1960 als Armeemuseum der DDR. Erst 1988 begann die Generalsanierung zur Rückführung auf ein Museumsschloss. Bis 2006 konnten alle Räume dem Publikum wieder zugänglich gemacht werden. Dazu arbeitete die Porzellanrestauratorin der Schlösserstiftung, Uta Scholz, auch die Wedgwood-Vasen auf. 1999 besuchte Lord Wedgwood das Schloss. Als Geschenk brachte er die Replik einer Plakette mit, mit der eine 200-jährige Kommode komplettiert werden konnte. Sie war 1945 ebenfalls in die Sowjetunion verbracht und ohne die Wedgwood-Keramik zurückgegeben worden. Inwieweit es Wedgwood weiterhin geben wird, ist übrigens unklar. Ende 2008 musste das Unternehmen Insolvenz anmelden.
Erhart Hohenstein
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