Landeshauptstadt: Fliegende Gäste
Der Fledermaussachverständige Karlheinz Lehmann hält seine schützende Hand über die Kleinsäuger
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Das Neue Palais wird weiter mit Fledermäusen leben. Sie nehmen nicht nur im Keller, sondern auch im Bereich der Museumsräume Quartier. So haben sie in Mauerwerkshohlräumen der Oberen Galerie Wochenstuben eingerichtet, in denen die Weibchen ihre Jungen aufziehen. Für die Denkmalpflege sind die fliegenden Kleinsäuger unerwünschte Gäste, denn beim nächtlichen Herumgeistern durch die Schlossräume lassen sie Exkremente fallen. Doch vernichtet werden dürfen die unter Naturschutz stehenden Tiere nicht. So behilft sich die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, indem sie Gemälde verhängt, Möbel mit Überzügen ausstattet und die Fußböden mit einer Wachsschicht überzieht.
Auf die Hilfe von Karlheinz Lehmann können die possierlichen Tiere dabei in jedem Fall bauen. Dafür legt sich der Potsdamer Fledermaussachverständige notfalls auch mit seinem Arbeitgeber an, denn er ist selbst bei der Stiftung beschäftigt. So sollten am Rosse-Brunnen an der Maulbeerallee die Öffnungen zu den Kellerräumen verschlossen und dort Heizungen eingebaut werden. Dies hätte den Fledermäusen ein Winterquartier genommen. „Mit meinem Einspruch habe ich das verhindert“, sagt der Sachverständige, „und der Stiftung ein Ordnungsverfahren erspart.“ Seit sich im Vorjahr Stiftungsdirektion und Naturschutz zu einem „runden Tisch“ trafen, habe sich die Situation entschärft, schätzt Lehmann ein.
Unbestritten sind die beiden wichtigsten Schlafstätten unter den Kolonnaden von Sanssouci und dem Schloss Charlottenhof. Sie genießen schon seit Mitte der 1980er Jahre Schutzstatus. Doch nach wie vor muss Lehmann gegen Verstöße vorgehen, so unlängst in Sacrow, wo bei einem Bauvorhaben die Wochenstuben abgeschlagen wurden und die Jungen hilflos am Boden lagen. Solch brutales Vorgehen, das bis zu 5000 Euro Ordnungsstrafe nach sich ziehen kann, ist aber zur Ausnahme geworden – „90 Prozent der Bauherren achten heute bei Bauvorhaben den Schutzstatus der Fledermäuse“, weiß Lehmann. Er untersucht dann im Auftrag der Unteren Naturschutzbehörde die Gebäude und erstellt ein Gutachten, in diesem Jahr schon in zwölf Fällen. Daraus kann ein Baustopp folgen, während dem die Bauherren für Ersatzquartiere sorgen. Für eine solche Anlage im Kaiserbahnhof hat beispielsweise die Deutsche Bahn AG rund 10 000 Euro ausgegeben, auch Wohnungsgesellschaften, die Plattenbauten modernisieren, Bauherren im Jugendstil-Viertel der Brandenburger Vorstadt, das Internatshochhaus der Sportschule am Luftschiffhafen oder der Meteorologische Dienst auf dem Telegrafenberg scheuten diese Kosten nicht.
Mit dem Bau des Niemeyer-Bades am Brauhausberg käme eine neue interessante Aufgabe auf den Fledermausschützer zu. Im Hang hinter der Schwimmhalle wurde unlängst in drei ehemaligen Lagerhallen der in der DDR-Zeit geschlossenen alte Brauerei Quartiere entdeckt, die von den Tieren genutzt werden. Sie wurden zunächst gesichert, „darauf muss jedoch bei dem Bauvorhaben Rücksicht genommen werden“, erklärt Lehmann.
Dank des Engagements des einzigen Potsdamer Fledermausexperten, der von zehn bis 15 Helfern des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) unterstützt wird, geht es den fliegenden Kleinsäugern in der Landeshauptstadt relativ gut. Ihr Bestand ist stabil. Allein 198 Winterquartiere sind erfasst, von denen 154 regelmäßig betreut werden. Hinzu kommen die Wochenstuben und Sommerquartiere. Gern würde Lehmann die Betreuung ausdehnen, dazu fehlen aber weitere Helfer. Der Sachverständige will dafür verstärkt unter anderem in Schulen werben. Jährlich lädt er die Potsdamer zur Fledermausnacht ein, auch um nach wie vor bestehende Ängste vor den angeblich Blut saugenden und in die Haare fliegenden harmlosen Tierchen auszuräumen. Diesmal sind am 25. August die Friedenskirche und ihre Umgebung Beobachtungsort. Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
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