
© M. Thomas
Online-Marketing-Agentur „aohipa" in Potsdam: Flucht ins Paradies
In Potsdam suchte Benjamin Lasdinat eigentlich Entschleunigung nach einer nervenaufreibenden Zeit in Berlin. Inzwischen gibt der 26-jährige IT-Experte jedoch wieder Gas – als Chef einer Web-Agentur.
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Während andere in seinem Alter noch im Uni-Hörsaal gegen den Sekundenschlaf ankämpfen oder sich als gerade frisch eingestellte Mitarbeiter die ersten Lorbeeren verdienen, hat Benjamin Lasdinat schon wieder einen Gang runtergeschaltet. Zuletzt hat der 26-jährige Potsdamer als Technischer Leiter bei einer großen Berliner Internetagentur gearbeitet, hat dort 26 Mitarbeiter unter sich gehabt und verfügte über so gut wie keine Freizeit. „Zum Schluss stand ich kurz vor dem Burnout“, erzählt Lasdinat. Vor gut einem Jahr kehrte der junge Computerfachmann der hypernervösen IT-Branche der Hauptstadt den Rücken und nahm bewusst eine vergleichsweise weniger ambitionierte Stelle in Potsdam an. Doch inzwischen ist Lasdinat schon wieder auf dem Weg nach oben: Seit September ist er Geschäftsführer der neuen Potsdamer Online-Marketing-Agentur „aohipa“. Bis Ende des Jahres will er bis zu zehn Mitarbeiter einstellen.
„Unterm Strich arbeite ich vielleicht wieder genauso viel wie früher, aber eben weitaus entspannter. Der Stresspegel ist hier einfach viel niedriger als in Berlin“, sagt Lasdinat. Seine Firma „aohipa“ ist eine Ausgründung aus dem Potsdamer IT-Unternehmen „CCDM“, oder „Competence Center für Digitale Medien“, wie der vollständige Name etwas sperrig lautet. Während „CCDM“ mittlerweile vor allem smartphonekompatible Internetseiten für Großkunden wie Studio Babelsberg oder Werderfrucht entwickelt und betreut, soll Lasdinat mit „aohipa“ die vielen kleinen und mittelständischen Firmen in der Region abdecken – für deren Anfragen die Mutterfirma mittlerweile eine Nummer zu groß geworden ist.
Seinen potenziellen Auftraggebern verspricht der „aohipa“-Chef auf seinem Flyer „mehr Besucher, mehr Kunden, mehr Umsatz“. Etwa 15 Kundenseiten betreut die Firma nach eigenen Angaben bereits, darunter die Internetauftritte von Handwerksbetrieben, Rechtsanwälten oder Reisebüros. „Viele landen bei uns, weil sie vorher billig eingekauft haben“, erklärt Benjamin Lasdinat. Weil ihnen eigentlich das nötige Budget für eine seriöse Agentur fehlt, würden kleine Firmen und Selbstständige oft auf vermeintliche Schnäppchen-Angebote hereinfallen. „Aber langfristig bringt es nichts, eine günstige Seite zu kaufen“, meint der junge Internetexperte. Oft sähen solche Seiten eben entsprechend billig gestaltet aus, zudem sei nicht gewährleistet, dass sie auch später noch richtig funktionieren. „Wir nutzen dagegen die Qualität und das Know-how von CCDM für Großkunden, bieten aber deutlich kleinere und damit günstigere Pakete an“, erläutert Lasdinat.
Die Gründe für seinen Wechsel von Berlin in die Landeshauptstadt Brandenburgs spiegeln die Unterschiede der IT-Branche an beiden Standorten deutlich wider und haben schon mehr Fachkräfte in die Region Potsdam getrieben – sehr zur Freude hiesiger Unternehmen. „Der Markt in Berlin ist um einiges aggressiver, unter 90 Stunden geht fast nichts und für Mitarbeiter in Führungspositionen ist Elternzeit praktisch ausgeschlossen“, erzählt der Jungunternehmer. In Potsdam dagegen seien die Firmen viel mehr auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichtet als auf das schnelles Wachstum und Rendite. Letztlich sei nicht nur er selbst ausgebrannt gewesen, auch zwischen seiner Frau und ihm habe es zunehmend Reibungspunkte gegeben: „Wenn es heißt, kannst du heute mal den Kleinen in den Kindergarten bringen und man eigentlich nie Zeit hat.“ Allein schon, weil er nicht mehr jeden Tag zwei Stunden im Zug sitzen muss, hat der junge Firmenchef heute mehr Zeit für seine Familie und kann seinen zweieinhalbjährigen Sohn selbst zum Kindergarten bringen. „Außer wenn ich mal zu einem Kunden muss, bewege ich mich fast ausschließlich in einem Radius von rund einem Kilometer.“ Lasdinat wohnt in der Friedrich-Ebert-Straße, sein Büro ist in der Schloßstraße hinter dem Kutschstall, der Kindergarten liegt um die Ecke.
Bei der „CCDM“ hat der geborene Luckenwalder als Ausbilder angefangen. Die Arbeitsbedingungen waren im Vergleich zu seinem Job in Berlin fast gegenteilig. „Hier ist es schwerer, Kollegen ohne Kinder zu finden als mit“, meint Lasdinat. Dass er nur wenige Monate nach seiner selbst gewählten Entschleunigung sogar Geschäftsführer ist, macht ihn auch für die Zukunft nicht bange. „Ich kann das Tempo ja selbst bestimmen.“
Außerdem macht Lasdinat die Arbeit ganz offensichtlich wieder deutlich mehr Spaß als früher – auch wenn die ganz großen Kundennamen fehlen. „Durch die vielen kleinen Projekte ist die Arbeit viel abwechslungsreicher, man kann viel kreativer arbeiten, als wenn man zehn Monate lang an einem Kundenauftrag hängt.“ Zudem sei es einfach schön, dass man auch mal Resonanz bekommt, etwa wenn ein Kunde berichte, dass er bereits mehrfach auf seine neue, tolle Internetseite angesprochen wurde, sagt Lasdinat. „Man hat hier viele kleine Erfolge.“
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