Landeshauptstadt: Flugrouten: Potsdamer sollen Widerstand leisten
Initiativen: Wer wenig protestiert, bekommt am meisten ab / Stadt werde „unter Lärm verschwinden“
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Berliner Vorstadt - Ein „Horrorszenario“ nennt Markus Peichl von der Bürgerinitiative Weltkulturerbe Potsdam die Auswirkungen des im nächsten Jahr in Betrieb gehenden Flughafens Berlin Brandenburg International (BBI). „Der Anflugkorridor lässt Potsdam unter Lärm verschwinden“, sagte er am Donnerstagabend auf einer Informationsveranstaltung im Oberstufenzentrum „Johanna Just“ in der Berliner Straße.
Peter Daniel vom Verein Berliner Vorstadt hatte mehrere Initiativen zusammengetrommelt und Sabine Bergmann-Pohl, letztes DDR-Staatsoberhaupt und Ex-Bundesministerin, als Moderatorin gewonnen. Bergmann-Pohl berichtete in der voll besetzten Aula des Oberstufenzentrums, dass sie vor vier Jahren von Pankow nach Zeuthen umgezogen sei. „Ich war von den im Planfeststellungsverfahren fest gelegten Geradeaus-Routen ausgegangen“, nun aber habe sich die Situation völlig geändert. „Ich habe nie gedacht, dass ich mich einmal in einer Bürgerinitiative engagieren muss“, sagte die ehemalige CDU-Politikerin.
Peichl, bei dem die Fäden der Initiativen der BBI-Kritiker zusammen laufen, hatte zusammen mit Experten die Varianten der Landeanflüge aufgezeichnet. Ab Ludwigsfelde müssen die Maschinen zwecks Landung geradeaus fliegen entweder über Eiche, das Potsdamer Zentrum und Werder oder über Groß Glienicke, Potsdam und Wannsee. Die Anflieger kreuzen die Starter in angemessener Höhe. Das führe im Umkreis von 35 Kilometern zu einer totalen Verlärmung. Der Arzt Detlef Kahlet von der Bürgerinitiative „Keine Flugrouten über Berlin“, machte anhand aktueller Untersuchungen klar, welche negativen Folgen diese Situation für die Menschen habe, von der Zunahme von Herzinfarkten und Schlaganfällen bis zu Lernproblemen bei Kindern.
Die zu erwartende Betroffenheit entstehe laut Peichl deshalb, weil die derzeitigen Absichten des Flughafens von den genehmigten Planungen erheblich abwichen: Steigerung der Flugbewegungen auf bis zu 500 000 im Jahr, Zunahme der Umsteiger und der Transitflüge, Einsatz großer Jets wie Boing 747 und A 340 sowie Rund-um-die-Uhr-Betrieb. „Wir fordern keinen Baustopp, aber der Flughafen soll so funktionieren wie er genehmigt wurde“, das sei das Ziel des Widerstandes der betroffenen Menschen. Von einer visionären Landespolitik sei zu verlangen, dass sie darüber hinaus „morgen mit der Planung zu einem wirklichen Drehkreuz in Sperenberg beginnt“.
In einem Schreiben wenden sich die Initiativen an Ministerpräsident Matthias Platzeck und Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (beide SPD): „Setzen Sie sich endlich wirksam für die Interessen der Landeshauptstadt und ihrer 150 000 Einwohner ein!“ Potsdam dürfe nicht zum „Bauernopfer im Flugroutenstreit“ werden. Keine Flugrouten über dem größten Ensemble der deutschen Unesco-Welterbestätten, über Potsdam und den umliegenden Naturschutz- und Naherholungsgebieten, so lautet die Hauptforderung. Ein Flughafenausbau zum internationalen Drehkreuz, zum 24-Stunden-Airport und Frachtflughafen am Standort Schönefeld müsse verhindert werden.
„Viele haben keine Vorstellung, was sie erwartet“, sagte Peter Daniel. Es sei höchste Zeit, dass sich in Potsdam wie in anderen Kommunen der Widerstand organisiere. „Wer am wenigsten macht, bekommt am Ende das meiste ab“, warnt Achim Haid-Loh vom Weltkulturerbe e.V. Am Samstag, dem 12. März, ab 15 Uhr sei daher zu einer Großdemo in Schönefeld aufgerufen. Günter Schenke
Günter Schenke
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