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Neue Sicht auf alte Karten: Die 18-jährigen Schülerinnen Laura Schütze und Theresa Scharsich zeigen zwei ihrer Postkarten-Kreationen. Unten drei historische Postkarten, die im Potsdam-Museum, Benkertstraße 3, bis zum 19. September zu sehen sind.

© Manfred Thomas

Von Guido Berg: Forschen statt googeln

„Schöne Grüße aus Potsdam“: Schüler erarbeiteten Ausstellung über historische Militärpostkarten

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Warum waren Uniformen früher bunt und wurden später grün oder sogar feldgrau? Mit dieser Frage, mit „Uniformen im Wandel der Zeit“, befasste sich Laura Schütze. Die 18-jährige Schülerin der Lenné-Gesamtschule nahm an einem aufwendigen Kooperationsprojekt zwischen ihrer Schule und dem Potsdam-Museum teil. Etwa 100 Schüler erforschten mehr als eineinhalb Jahre lang die Geschichte historischer Militärpostkarten. Doch anders als bei vielen anderen Projekten, deren Ergebnisse am Ende in Schubladen oder noch schlimmer, im Papierkorb landen, ist die wissenschaftliche wie kreative Ausbeute der Lenné-Schüler nun im Potsdam-Museum zu sehen. Gestern Abend wurde die Ausstellung „Schöne Grüße aus Potsdam“ in der Benkertstraße 3 eröffnet.

Materielle Basis des Schülerprojekts sind 450 historische Militärpostkarten, die das Potsdam-Museum 2004 mithilfe seines Fördervereins von dem Sammler Dr. Otto Griep ankaufen konnte. Griep arbeitete von 1960 an für drei Jahrzehnte als Kreisjugendarzt in Potsdam und lebt heute in Luckenwalde. Leidenschaftlich sammelte er Militärpostkarten aus der Zeit von 1870 bis 1940. Wenn die meist neun mal 13 Zentimeter großen Postkarten nicht Husaren in bunten Uniformen zeigen, dann Potsdamer Kasernen-Bauten. Folglich gingen die Schüler, ausgestattet mit Fotoapparaten, auf Spurensuche. Im ersten Raum der Ausstellung sind die historischen Postkarten den Schülerfotos gegenübergestellt. Eine Schülerin, berichtet Markus Wicke, Vorsitzender des Fördervereins, hatte es nicht leicht, denn sie wollte die Garde-Jäger-Kaserne fotografieren. Die aber gibt es nicht mehr. An ihrer Stelle steht heute ein Bettenhaus des Bergmann-Klinikums. Doch gerade das Foto dieser Schülerin gehört zu den spannendsten, denn wer genau hinsieht, der erkennt zwei Merkmale, die noch übereinstimmen: Der Bürgersteig auf der rechten Bildseite und die Treppenstufen zur Französischen Kirche auf der linken finden sich sowohl auf der Postkarte von 1900 als auch auf dem Foto von 2010.

Intensiv rangen die Schüler auch mit erklärenden Texten zu den Fotos. Dabei machten sie auch spannende Zitat-Funde. So beschrieb Sebastian Haffner Preußen einmal als „Summe seiner Widersprüche“. Und der Dichter Voltaire lästerte, in Potsdam gebe es mehr Bajonette als Bücher – und die meisten davon in der Bibliothek des Königs.

Unterstützung erhielten die Schüler von Mitarbeitern des Potsdam-Museums wie etwa Hannes Wittenberg oder der Ausstellungs-Designerin Heike Pfeiffenberger. Auch ihre Lehrerinnen Anke Debertshäuser und Katrin Leubner halfen über die mitunter auftretenden berühmten „Mühen der Ebene“ hinweg. „Es gab Momente, wo wir dachten, das klappt nicht“, resümiert Laura Schütze und fügt hinzu: „Aber jetzt sind wir stolz.“

Wenn es darum ging, Dienstgrade zu bestimmen oder zu wissen, wo welches Garderegiment seinen Sitz hatte, war es mit einfach mal googeln oft nicht getan, berichtet Lehrerin Leubner. Daher forschten die Lennè-Schüler auch in der Bibliothek des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes.

Das Spektrum des neu erschlossenen Wissens bei diesem Projekt, dem Museumsdirektorin Jutta Götzmann Modellcharakter beimisst, erstreckt sich nicht allein auf die Militär- und Stadtgeschichte Potsdams. Die Schüler haben auch ihren Kampf mit der alten Sütterlinschrift ausgefochten und erfuhren so viel aus dem Alltagsempfinden der Soldaten, die mittels der Karten Grüße aus Potsdam sendeten. Nicht zuletzt suchten die Schüler dem Thema mit künstlerischen Mitteln beizukommen. Hier beeindruckt Theresa Scharsich mit einer Foto-Collage, die die Vergänglichkeit aller Dinge thematisiert.

Die Ergebnisse ihrer Arbeiten haben die Schüler in „Postkartenbüchern“ verewigt, die mit Hilfe der Stadtdruckerei gedruckt wurden. Im Buch von Laura Schütze beschreibt sie den Wandel von bunten zu feldgrauen Uniformen. Der Grund dieser Entwicklung liegt in der mit der Verbesserung der Waffen nötig gewordenen Tarnung. Irgendwann verloren sogar die Offiziere ihre roten Mützen, weil die Gegner nur zu gerne auf Offiziere feuerten – gut erkennbar an ihrer leuchtenden Kopfbedeckung.

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