Sport: Freie Fahrt für die Fußballprovinz
Fußball-Regionalliga: Der SV Babelsberg 03 hinterlässt beim 0:1 gegen den SC Verl Ratlosigkeit
Stand:
Zehn Minuten nach Spielende hockte Cosmin Uilacan mit einem Mannschaftskollegen vor dem Zugang zum Stadiongebäude und gönnte sich erst einmal gegen jede Vernunft eine Zigarette. Die Klamotten des 26-jährigen Rumänen waren durchgeschwitzt, die Stutzen herab gelassen. Der Abwehrspieler des SC Verl wirkte jedoch nicht etwa abgekämpft, sondern sehr entspannt. So entspannt wie ein Amateurfußballer, der am Wochenende irgendwo auf dem Dorf nach ehrlicher Arbeit erst einmal eine durchzieht. Es war eine Szene, wie sie, derart offen dargeboten, ewig nicht im Karl-Liebknecht-Stadion zu sehen war. Irgendwie hatte sie was von der Sorglosigkeit, die dieser Tage so schwer aus den Köpfen der Fußballer zu verbannen ist, die die Stadt Potsdam repräsentieren.
Uilacan gewann mit seinem Fußballverein aus der 20000-Einwohner-Gemeinde im Kreis Gütersloh am vergangenen Sonnabend vor 1625 Zuschauern das Aufsteigerduell in der Regionalliga Nordost beim SV Babelsberg 03 mit 1:0. Dem SC Verl, einer Ansammlung grundsolider Fußballer, genügte dabei seine weitgehend auf Fehlervermeidung orientierte Vorstellung. Binnen neunzig Minuten boten sich den Westfalen nur zwei klare Torgelegenheiten, von denen Robert Mainka eine zum Siegtreffer nutzte (35.). Mainka angelte sich das Leder nach einem Einwurf für den Gastgeber (!), lief ein paar Meter, ließ drei Gegenspieler schlecht aussehen und schob ein. Sechs Minuten zuvor noch hatte Maik Neumann den Ball in allerletzter Not gegen den zentral durchlaufenden Soner Dayangan am Überschreiten der Torlinie gehindert.
Babelsberg 03 selbst hatte vier halbe Torgelegenheiten in einem Spiel, das nach erfolgtem Trainerwechsel das Signal zum Durchstarten bringen sollte. Stattdessen fiel, was die Ambitionen auf das Erreichen des zehnten Tabellenplatzes betrifft,womöglich schon eine Vorentscheidung gegen den Verein. Nach einer derart unbeholfenen und leidenschaftslosen Vorstellung fällt es schwer, daran zu glauben, dass der Aufsteiger nun ausgerechnet in den verbleibenden Hinrundenspielen in Magdeburg, gegen den VfB Lübeck, in Oberhausen, gegen Fortuna Düsseldorf und in Ahlen eine Serie von Siegen startet, um in der Tabelle Boden gut zu machen. Durch das unbrauchbare Torverhältnis beträgt die Distanz auf Platz zehn bereits acht Punkte. Dass dies dem Verein bei Heimspielen enorme Einnahmeverluste kosten wird, ist ein weiterer unerfreulicher Aspekt.
Daran, dass der Sieg dem bereits am Freitag in Potsdam angereisten SC Verl nun plötzlich völlig neue Perspektiven eröffnet, glaubt wohl auch Mario Ermisch nicht wirklich. „Wir wollten uns hier zeigen und behaupten, haben die saubere Atmosphäre im Stadion sehr genossen, wundern uns aber über das hohe Anspruchsdenken im Babelsberger Umfeld“, sagte der Gästetrainer. Er hätte nach diesem Spiel auch sagen können, dass Babelsberg 03 genau wie der SC Verl in dieser Spielklasse nichts anderes vertritt als – die Fußballprovinz.
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