Links und rechts der Langen Brücke: Freigeist und Expertise
Guido Berg über das häufige Scheitern der Stadt in städtebaulichen Fragen
Stand:
Potsdams Bauamt hat in dieser Woche zwei kräftige Bauchlandungen hingelegt – wieder einmal: Im Bauausschuss scheiterte der Plan für einen Neubau der Weissen Flotte am Neptunbrunnen des Lustgartens; ferner wurde die städtische Pro Potsdam GmbH erneut verpflichtet, für einen Wiederaufbau der Fassade der Alten Post am Platz der Einheit zu sorgen. Die endgültige Entscheidung trifft die Stadtverordnetenversammlung zwar erst am 30. Januar. Bis dahin wird hinter den Kulissen noch an vielen Strippen gezogen. Klar ist aber schon jetzt, dass es wieder einmal die engagierten Bürger dieser Stadt waren, die im letzten Moment mit viel Verve und eigenen Experten ein erstes Umdenken anregten. Die Liste der Bauprojekte, die durch Bürgerintervention qualifiziert wurden, ist lang: Landtagsschloss, Verbinder am Alten Rathaus, Lennéstraße 44; erst jüngst mussten sich gleich vier große Bürgerinitiativen auf die Hinterbeine stellen, um die Bauverwaltung zu einer Gesamtbetrachtung der Breiten Straße zu bewegen. Warum ist das alles so? Warum springt das Bauamt ständig zu kurz? Denkt zu klein? Robbt sich von Grundstück zu Grundstück, ohne das Ganze zu sehen? Warum überplant die Stadt den Lustgarten, ohne die Lustgarten-Architekten Dietz und Joppien zu konsultieren? Nach den vielen Diskussionen und Konflikten der letzten Jahre muss doch den Stadtverantwortlichen aufgehen, dass möglicherweise ein inneres Strukturproblem vorliegt, dass sie häufig nicht gut beraten sind. Kann es sein, dass es in der Stadtverwaltung Potsdam niemanden gibt, der dieser Tage – in der größten Boomphase Potsdams nach der Ära Friedrich II. – frei von Einzelinteressen, aber mit interessierter Kompetenz die Stadtentwicklung, den Städtebau durchdenkt – und zwar vorher? Natürlich passt der als Nachfolger von Elke von Kuick-Frenz als Hoffnungsträger gestartete Baubeigeordnete Matthias Klipp auf dieses Anforderungsprofil. Allerdings ist Klipp mittlerweile Aufsichtsratsvorsitzender der städtischen Pro Potsdam GmbH. Seine Worte zum Staudenhof und zur Alten Post – beides Pro-Potsdam-Objekte – lassen den Schluss zu, dass Klipp der Stadtholding nunmehr näher steht als dem, was Potsdam bisweilen städtebaulich guttut. Gebraucht wird aber eine Person, die bereits am noch stehenden „Haus des Reisens“ die fehlende Ungersche Post erkennt und anmahnt. Eine Art Stadtarchitekt oder Stadtbaumeister, der nur den Stadtverordneten verpflichtet, die Wachsamkeit und Freigeistigkeit der Bürger mit der Expertise eines Architekten verbindet.
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