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Aus dem GERICHTSSAAL: Freispruch für Mediziner

75-Jährigem die Hilfe nicht vorsätzlich verweigert

Stand:

Der 75-jährige Richard R.* klagte am Abend des 22. Oktober 2007 über Atemnot und Schmerzen in der Brust. Seine Ehefrau Rosemarie* wählte den Feuerwehrnotruf 112, wurde von dort an den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst verwiesen. Gestern musste sich der damals Dienst habende Arzt Wladimir W.* (50) wegen unterlassener Hilfeleistung vor Gericht verantworten. Er soll den dringend nötigen Hausbesuch unterlassen, stattdessen per Telefon ein Medikament verordnet haben, das die gehbehinderte Gattin des Patienten erst aus der Nachtapotheke holen musste. Der Staatsanwalt beantragte eine Geldstrafe von 1500 Euro für den Mediziner. Richterin Constanze Rammoser-Bode sprach ihn allerdings frei. Sie befand, der Arzt habe zu wenig Anhaltspunkte gehabt, von einem Herzinfarkt des Rentners auszugehen.

Damit stand er, wie es scheint, nicht allein. Der Stahnsdorfer Hausarzt hatte bei Richard R. vier Tage zuvor Bronchitis diagnostiziert, ihm Antibiotika verordnet. Ein Notarzt, der nach dem zweiten Anruf seiner Ehefrau in der Wohnung Am Stern erschien, tippte auf Lungenentzündung, ließ den Mann noch in der Nacht ins St-Josefs-Krankenhaus einweisen. Dort wurde ein Vorderwand-Infarkt festgestellt, der allerdings schon fünf Tage zurückliegen sollte. Richard R. wurde operiert. Sein Leben konnte gerettet werden, allerdings ist er inzwischen pflegebedürftig. „Bei dem Patienten lag ein nicht ganz frischer Herzinfarkt vor, der behandlungsbedürftig war. Die vermeintlichen Bronchitis-Symptome rührten daher“, führte Rechtsmediziner Dr. Wolfgang Mattig aus. Dies habe der Angeklagte am Telefon nicht erkennen können. Es wäre aber seine Pflicht gewesen, weitere Einzelheiten des Krankheitsbildes zu erfragen und dann entsprechend zu handeln. Rosemarie R.* (75) versicherte im Zeugenstand, sie habe Wladimir W. klar und deutlich geschildert, ihr Mann habe neben Luftnot auch Schmerzen in der Brust und in den Armen. Beim Feuerwehrnotruf schilderte sie aber nur „wahnsinnigen Husten“ und Probleme beim Luftholen. Das allein sei noch kein Notfall, befand der Rechtsmediziner.

Der Anruf von Rosemarie R. habe ihn nachts auf dem Weg zu einem anderen Patienten im Auto erreicht, berichtete der Angeklagte. „Ich sagte ihr, ich könne nicht sofort kommen und empfahl ihr ein Medikament gegen Husten. Ich riet ihr aber auch, falls sich der Zustand ihres Mannes dramatisch verschlechtern sollte, nochmals den Feuerwehrnotruf zu wählen.“ Die von der Frau geschilderten Symptome hätten zu der Bronchitis gepasst, die der Hausarzt festgestellt hatte, so der Arzt. „Hätte ich an einen lebensbedrohlichen Zustand des Patienten gedacht, hätte ich von selbst die Feuerwehr gerufen.“ (*Namen geändert.) Hoga

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