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Landeshauptstadt: Freispruch nach tödlichem Unfall Keine Fahrlässigkeit des 79-Jährigen festgestellt

Es war ein Unfallausgang, wie er tragischer nicht hätte sein können. Bernd B.

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Es war ein Unfallausgang, wie er tragischer nicht hätte sein können. Bernd B.* (67) überquert am Nachmittag des 22. Juli vorigen Jahres bei „Rossmann“ vor der Wilhelmgalerie die Charlottenstraße. Im selben Moment nähert sich Walter W.* (78) mit seinem Renault aus der Straße Am Bassin der Kreuzung. Er biegt nach rechts langsam in die Charlottenstraße ein. Den Fußgänger sieht er nach eigenem Bekunden zunächst nicht. Es kommt zum Zusammenstoß.

Obwohl der Renault-Fahrer mit höchstens 15 Stundenkilometern unterwegs ist, wie ein Gutachter später errechnet, sind die Folgen für den Fußgänger tödlich. Ungebremst fällt er mit dem Hinterkopf auf den Asphalt, erleidet eine schwere Hirnverletzung. Trotz sofortiger ärztlicher Hilfe im nahegelegenen Bergmann-Klinikum verstirbt Bernd B. wenig später.

Die Staatsanwaltschaft klagte Walter W. wegen fahrlässiger Tötung an. Amtsrichter Francois Eckardt sprach den Rentner am gestrigen Montag allerdings vom Vorwurf einer Sorgfaltspflichtverletzung frei. Die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft hatte noch eine „Fahrlässigkeit im unteren Bereich“ gesehen. Sie plädierte auf eine Freiheitsstrafe von drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollte. Die Witwe des Unfallopfers sowie seine beiden Söhne traten als Nebenkläger auf.

Es gehe ihr nicht um eine möglichst harte Bestrafung des Angeklagten, sondern um die Feststellung, dass er Schuld am Tode ihres Mannes trage, mit dem sie sich in Singapur eine neue Existenz aufgebaut hatte, sagte ihr Anwalt. Einer der Söhne forderte, dem Angeklagten die Fahrerlaubnis für immer zu entziehen.

Doch Walter W. darf weiter am Lenkrad sitzen. Sogar nach dem Unfall erlaubte ihm die Polizei, seinen Renault nach Hause zu chauffieren. Eine spätere Untersuchung des Fahrzeugs ergab, es müsse im Frontbereich eine Berührung mit dem späteren Opfer gegeben haben.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich den Mann angefahren habe“, betonte der mittlerweile 79-Jährige vor Gericht. Der Fußgänger sei plötzlich vor seinem Auto aufgetaucht. „Er torkelte und stolperte herum. Ich dachte, der ist schon am hellen Nachmittag stark angetrunken. Dann ist er unvermittelt rückwärts hingefallen und liegen geblieben“, so der Angeklagte.

Eine vorbeikommende Autofahrerin leistete dem stark blutenden Unfallopfer erste Hilfe, versuchte, den Verunglückten zu beruhigen. Der Angeklagte habe sie danach mindestens drei oder viermal gefragt: Sie haben doch gesehen, dass der Mann in mein Auto gerannt ist?, erzählte die Potsdamerin im Zeugenstand. „Aber ich habe nichts gesehen.“

Richter Eckardt stellte klar: „Der Angeklagte fuhr langsam in den Kreuzungsbereich hinein.“ Der Fußgänger habe die Straße überquert, obwohl sich das Auto näherte. Fußgänger hätten an dieser Stelle keinen Vorrang. „Eine Fahrlässigkeit des Angeklagten konnte nicht wirklich festgestellt werden“, begründete er den Freispruch, der wohl für die meisten Zuschauer im vollbesetzten Verhandlungssaal überraschend kam. (*Namen von der Redaktion geändert.) Hoga

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