
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: „Fremde. Heimat“
Eine Werkstattaufführung des Gymnasiums Hermannswerder thematisiert das Schicksal von Flüchtlingen
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Die Bühne liegt im Halbdunkeln und es herrscht Stille. Eine extreme, unangenehme Stille, die das Publikum anzustarren scheint. Dann kommt Bewegung auf: Die Darsteller knistern mit Papier, rascheln mit ihrer Kleidung und erzeugen unangenehme Reibgeräusche auf Schwimmwesten. Hier wird sofort klar: Was dort von den Schülern des Evangelischen Gymnasiums Hermannswerder auf der Bühne präsentiert wird, ist kein Wohlfühlstück. Wie sollte es auch, thematisiert es doch die schwierige Situation der Flüchtlinge, die derzeit überall in Europa Zuflucht suchen. Anhand von wahren Beispielen zeigen sie die Hindernisse, die die betroffenen Menschen überwinden müssen und üben gleichzeitig auch Kritik an der Flüchtlingspolitik Europas.
Seit September letzten Jahres arbeiten die Jugendlichen aus dem Kurs Darstellendes Spiel (DS) der elften Jahrgangsstufe schon an dem Stück. Am vergangenen Donnerstag und Freitag stellten sie es in zwei Werkstattaufführungen das erste Mal einem Publikum vor. In anschließenden Gesprächen, die sehr gut frequentiert wurden, konnten Kritikpunkte angesprochen und Fragen geklärt werden. „Wir freuen uns total, dass so viele nach der Aufführung hiergeblieben sind und ihre Meinung mit uns geteilt haben“, so Tabea Gesche aus dem DS-Kurs. „Es ist uns ja auch wichtig, wie unsere Ideen aufgenommen werden.“
Die Annäherung an die Problematik verlief langsam, wie sie erzählte. Zunächst sammelten sie Informationen und besprachen einzelne Aspekte. Erste Improvisationen halfen ihnen dann, auch emotional in das Thema einzusteigen. In zwei Gruppen aufgeteilt übernahmen sie Rollen von Flüchtlingen auf einem kleinen Boot im Meer, die um Aufnahme bitten, auf der einen Seite und Mitarbeiter der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Frontex) auf der anderen Seite.
„Das war wirklich toll zu beobachten, was dabei in den Schülern vorging“, sagte Hans Albrecht Weber, Theaterlehrer des Gymnasiums. „Zum einen diese Hilflosigkeit zu spielen, aber auch auf der anderen Seite dem Bitten standhalten zu müssen.“ Dabei kamen die Schüler aber auch an ihre Grenzen und merkten, dass sie es nicht schafften, sich in eine solche Situation vollständig reinzudenken. „Es war sehr schnell klar, dass wir uns nicht anmaßen können, so zu tun, als verstünden wir, was diese Menschen wirklich durchmachen“, so Weber. „Das gehörte auch zum Prozess: lernen, dass nicht alles darstellbar ist.“ In einem nächsten Schritt suchten sie das Gespräch mit Safiullah Wardak, Bashar Yussef und Jibran Khabil, drei jungen Flüchtlingen aus Afghanistan, Syrien und Pakistan.
„Am Anfang waren wir schon ein bisschen nervös“, erzählte Tabea. „Aber die Berührungsängste verflogen ganz schnell und dann hatten wir super interessante intensive Gespräche.“ Auf diesen aufbauend konzipierten sie dann auch das Stück, in dem sie die jeweiligen Einzelschicksale vorlesen. „Wir wollen ihnen damit eine Stimme geben“, so Tabea. „Aus den Zahlen der Nachrichten Menschen machen.“ Wie ihr Mitschüler Heinrich Wallroth sagte, sei es dem Kurs ein Anliegen gewesen, die Zuschauer zum Nachdenken anzuregen. „Das Stück soll auch dazu anregen, darüber nachzudenken, was man selbst tun kann, um zu helfen“, so der 17-Jährige. „Und auch den Abstand im Alltag abbauen. Es ist wichtig, dass man einfach viel offener auf die anderen zugeht.“ Ein Gedanke der fruchtete: Viele Mitschüler bestätigten, dass sie das Thema jetzt viel bewusster in der Berichterstattung wahrnehmen und mehr darüber nachdenken.
Auch wenn das Stück mit einer ironischen Darstellung von Frontex Kritik an der europäischen Flüchtlingspolitik übt, bemüht es sich, keine Schwarz-Weiß-Malerei zu betreiben. Es sei den Schülern wichtig gewesen, auch die andere Seite als menschlich darzustellen und den Zuschauern keine feste Meinung vorzugeben. Noch ist aber alles in der Entwicklung. „Das Ende ist noch nicht ganz rund und eventuell wollen wir unsere Emotionalität noch ein wenig zurückschreiben“, so Heinrich. „Aber wir haben ja noch ein wenig Zeit, um alles auszubauen.“ Im Laufe des nächsten Jahres sind noch weitere Gespräche mit Flüchtlingen geplant. Am 8. Juni präsentieren sie das vorläufige Stück beim Brandenburgischen Schultheatertreffen in Oranienburg, zu dem sie eingeladen wurden. „Da sind wir auch schon sehr gespannt, wie das wird“, so Heinrich. „Wir haben auf jeden Fall jetzt schon sehr viel gewonnen.“
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