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Von Michael Meyer: Freundin verloren, Geld verloren und fast alles Ruderer Karsten Brodowski zieht bittere Jahresbilanz

Mit einem kräftigen Schuss Bitternis blickt Karsten Brodowski auf die Olympia-Saison 2008 zurück. Gerade von einem einwöchigen Urlaub aus Cala Ratjada auf Mallorca heimgekehrt, wo er schon erste neue Trainings-Reize setzte, wird er heute Abend Gast des Olympia- Empfangs seines Vereins, der Potsdamer Ruder-Gesellschaft, sein.

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Mit einem kräftigen Schuss Bitternis blickt Karsten Brodowski auf die Olympia-Saison 2008 zurück. Gerade von einem einwöchigen Urlaub aus Cala Ratjada auf Mallorca heimgekehrt, wo er schon erste neue Trainings-Reize setzte, wird er heute Abend Gast des Olympia- Empfangs seines Vereins, der Potsdamer Ruder-Gesellschaft, sein. Dann wird die PRG im heimischen „Seekrug“ die weltbeste Ruderin Kathrin Boron feierlich vom aktiven Leistungssport verabschieden und noch einmal auf die Spiele in Peking zurückblicken. Die Skullerinnen der PRG hatten dort Silber und Bronze gewonnen, Karsten Brodowski und sein Potsdamer Klubkamerad Clemens Wenzel waren zusammen im Doppelzweier Dritter des B-Finals geworden.

Mit diesem Olympia-Abschneiden an sich kann Karsten Brodowski leben. „Das war angesichts unserer recht kurzen gemeinsamen Vorbereitung eigentlich realistisch. Die Teilnahme am A-Finale war schon das Maximalziel, dafür hätten wir im Halbfinale bisherige Olympiasieger rauswerfen müssen“, sagt der 23-Jährige rückblickend. Er hatte vor der Saison eigentlich auf eine erneute Chance im deutschen Doppelvierer gehofft, mit dem er 2007 in München Weltmeisterschafts- Dritter geworden war, und hatte erst Anfang Juli dieses Jahres seinen Olympia-Platz im Doppelzweier fest.

Enttäuscht ist Brodowski vom Deutschen Ruder-Verband (DRV), von dem er im Olympia-Vorfeld klare Selektions-Kriterien vermisste und nach den Rennen von Peking eine faire Behandlung. In der Mensa des Olympischen Dorfes habe ihn Bundestrainer Lothar Trawiel gefragt: „Und du, Karsten, hörst du jetzt nach Olympia auf, kümmerst dich mehr um das Studium?“ Rückendeckung höre sich anders an, meint der Potsdamer Skuller, der nach eigenen Worten „eine Menge in diese Saison investiert“ hat und nun auf seiner Homepage bitter konstatieren muss: „Freundin verloren, mindestens ein Semester verloren, Geld verloren, Teamgeist verloren und fast alles, um am Ende fast das Ziel Olympia verloren zu haben. Zum Schluss sich noch ständig die Frage stellen lassen zu müssen, warum man denn nur Neunter geworden ist!“

Trotzdem will Karsten Brodowski unter Leitung seines bisherigen Trainers Dieter Öhm weiter rudern. „Ich will auch 2009 international dabei sein“, verkündet der 2,05 Meter große Skuller. Auf ein bestimmtes Boot wolle er sich vorher nicht festlegen. „Ich bin für jedes Konzept bereit, wenn man es richtig angeht und ich das Gefühl habe, dass man mit mir ehrlich umgeht“, sagt der U23-Weltmeister von 2006 im Einer. „Aber wenn wieder jeder sein Ding machen will, wird es international wieder nicht reichen “ Von den Verantwortlichen des DRV habe er in den letzten zwei Monaten nichts gehört, erklärt er.

Im Urlaub auf Mallorca hat der Potsdamer bereits mehrere Trainingsläufe über 15 bis 20 Kilometer abgespult, insgesamt 650 Kilometer mit dem Rad zurück gelegt und vier Übungsstunden auf dem Ergometer absolviert. „Das war schon ein ordentliches Pensum, um wieder rein zu kommen“, sagt Brodowski dazu. Jetzt übt der Maschinenbau-Student wieder in Berlin, „da muss man erneut den täglichen Spagat zwischen Studium und Training schaffen.“ In Cala Ratjada habe ihn das schöne Wetter öfter aufs Rad gelockt, obwohl er mehr auf de m Ergometer arbeiten woll- te. Schließlich möchte Karsten Brodowski im kommenden Winter der Zugmaschine wieder mehr Aufmerksamkeit widmen. „Ich will im nächsten Februar nochmal zu den Ergometer-Weltmeisterschaften nach Boston“, sagt er.

Bereits am Samstag nächster Woche wird Karsten Brodowski beim Armada- Cup in Bern am Ergometer seine Kräfte mit zahlreichen Top-Ruderern messen. „Ich war schon viermal dort und bin jetzt wieder eingeladen“, erzählt er. Am 24. Januar 2009 möchte er dann bei den Europameisterschaften in Rom seine Kräfte beweisen, ehe er es noch einmal in Boston wissen will. Dort war der Potsdamer 2002 und 2003 jeweils Ergometer-Weltmeister der Junioren geworden. Den Junioren-Weltrekord – 5:47 Minuten für eine imaginäre 2000-Meter-Strecke – hält er seit 2004 immer noch, mit seiner persönlichen Bestzeit (5:40) ist er dem Weltrekord der Männer (5:36) nahe. „Der reizt nochmal“, gesteht Karsten Brodowski. „Mein Hauptaugenmerk liegt aber weiter auf dem Wasser.“

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