
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Frost und Frust in der Charlottenstraße
Arbeiten sind gestoppt und in erheblichem Verzug / Geschäftsleute beklagen Umsatzeinbußen
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Innenstadt - Die ältere Dame, die gerade ihren Einkauf über die Charlottenstraße hievt, hat die Straße noch in ganz anderer Erinnerung. „Von 45 bis 48 war die komplett aufgerissen“, sagt sie. „Bombenangriffe“, fügt sie erklärend hinzu. Ganz so verheerend ist der aktuelle Anblick der Charlottenstraße nicht, doch für einen Geschäfts- und Einkaufsbummel ist sie alles andere als einladend. Seit vergangenem April präsentiert sich die einstige königliche Prachtstraße als Dauerbaustelle – und seit Wochen in winterlicher Starre. Der Frost hat die Bauleute vertrieben, Baufahrzeuge stehen eingeschneit und verwaist am Straßenrand. Das Einzige, was sich bewegt, ist die Schranke, die sich automatisch für die Straßenbahnen öffnet.
Katastrophal nennt Carola Hartmann den Zustand – womit sie nicht nur die unaufgeräumte Baustelle vor ihrer Ladentür meint. Die Betreiberin eines Küchenstudios in der Charlottenstraße klagt über Umsatzeinbußen und ausbleibende Kunden. „Ich würde mir als Kunde auch überlegen, ob ich hierher kommen würde“, sagte sie. Parkplätze vor den Geschäften, Arztpraxen, Büros und Friseursalons gibt es nicht, stattdessen lose Pflastersteine, aufgerissene Gehwege, Schuttberge, Baumüll und Bauzäune. „Wer uns nicht kennt oder nicht auf unsere zusätzlichen Werbeaktivitäten reagiert, kommt nicht her“, beklagt Hartmann.
In der Charlottenstraße werden seit April 2012 zwischen der Friedrich-Ebert-Straße und dem Luisenplatz Straßenbahn-Haltestellen erneuert und so eingerichtet, dass ein barrierefreier Einstieg in die Tram möglich ist. Der städtische Energie- und Wasserversorger EWP erneuert Hausanschlüsse, saniert oder wechselt Hauptleitungen aus, ebenso die Telekom. Die Gehwege werden nach historischem Vorbild mit Bernburger Mosaikpflaster erneuert, auf das künftig Licht aus Schinkellaternen strahlen soll. Neue Bäume werden gepflanzt, für Radfahrer entsteht ein breiter Fahrbereich. Nach Abschluss der Bauarbeiten wird sich die Charlottenstraße, in der bundesweit die meisten Bauten des königlichen Baumeisters Georg Christian Unger stehen, in alter Schönheit zeigen. Die Aussicht darauf lässt Küchenstudio-Leiterin Hartmann die eingefrorene Baustellen-Atmosphäre ertragen. Ihre Geduldsprobe habe sie bereits in Babelsberg bestanden, wo ihr damaliges Geschäft ebenfalls unter den Einflüssen von Straßenbauarbeiten litt.
Gern wüssten die Geschäftsleute, wann die Bauzäune abgebaut werden. Genau kann das bei der ProPotsdam GmbH als zuständigem Sanierungsträger auch nicht beantwortet werden, denn das liegt in höherer Gewalt: „Es hängt vom Wetter ab“, sagt Unternehmenssprecher Sebastian Scholze. Wenn die Temperaturen dauerhaft über fünf Grad liegen, könnte weitergearbeitet werden. Dann würde es laut Scholze noch etwa acht Wochen bis zur Fertigstellung dauern – also länger als das anvisierte Bauende im März. Ursprünglich sollte die gesamte Straßenbaumaßnahme bereits im vergangenen November abgeschlossen sein. Doch die Schmutzwasserleitungen offenbarten sich in erheblich schlimmerem Zustand als zuvor angenommen. Die EWP entschied sich, den Schaden komplett und nachhaltig zu beheben. „Durch den notwendigen Mehraufwand verzögerte sich das Bauvorhaben deutlich“, erklärte Scholze auf PNN-Anfrage.
Diese Information hätte sich Geschäftsfrau Hartmann auch gern gewünscht. „Doch die Kommunikation ist schlecht“, moniert sie, während ProPotsdam-Sprecher Scholze darauf verweist, dass alle ansässigen Gewerbetreibenden die Rufnummer der zuständigen Planerin hätten. Davon habe bislang jedoch nur ein Händler Gebrauch gemacht. Für den CDU-Ortsverband Innenstadt/Nord bietet das Geschehen in der Charlottenstraße indes Anlass, vor allem für Innenstadtbereiche ein „durchgreifendes Baustellenmanagement zu fordern“. Nur so ließen sich nach Meinung von CDU-Sprecher Peer-Oliver Schumann „Einschränkungen für Anlieger, Gewerbetreibende, Verkehrsteilnehmer und Touristen auf ein akzeptables Maß reduzieren“.
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