
© M. Thomas
Von Juliane Wedemeyer: Frühe Früchtchen
Dieser April war der heißeste seit 1893. Wegen ihm gibt es das erste Obst zehn Tage eher
Stand:
Die Stare haben es noch nicht mitbekommen, sagt Bauer Gerhard Neumann. Wenn, dann würden sie sogar kilometerweit fliegen. Zu ihm nach Bornim. Zu den Kirschbäumen in seinem „Erntegarten“. „Die Stare haben das im Kopf, dass es bei mir Kirschen gibt“, erklärt der Landwirt. Allerdings glaubten sie offenbar, es sei erst in zehn Tagen soweit – so wie jedes Jahr. Darauf scheinen sie programmiert zu sein, meint Neumann. Aber dieses Jahr ist alles anders: Die ersten Früchte an seinen Bäumen sind schon rot. Genau wie die Erdbeeren. Die haben bereits rote Backen, sagt der Landwirt.
An diesem Sonntag will er die ersten seiner Kirschen und Erdbeeren in der Selbstpflücke verkaufen. Als erste Freilandkirschen und -Erdbeeren aus Potsdam. Es müsste klappen. Denn wenn die Erdbeeren schon rote Backen haben, dauere es nur noch drei Tage bis sie reif sind. „Riwan“ heißt die Sorte, keine andere werde so früh reif. Aber dass sie dieses Jahr fast zwei Wochen vor Termin rot und süß sind, liege am heißen April, sagt Neumann. Meteorologen sagen, dass es der heißeste April seit 1893 war.
Dabei habe es noch im Januar gar nicht gut ausgesehen für sein Obst, sagt Neumann. In manchen Nächten sank die Temperatur auf 20 Grad unter Null. „Solche kalten Winter hatten wir schon jahrelang nicht mehr“, sagt Neumann. Wegen der milden Winter habe er sogar begonnen, Kiwis zu pflanzen – nur so zum Spaß. Und dann dieser Kälteeinbruch! Die meisten Kiwis haben den Frost nicht überlebt.
Aber was für den Bauern schlimmer ist: Der Frost hat die Knospen der „Späten Knupper“ zerstört, fast 90 Prozent weniger Früchte tragen die Kirschbäume dieser besonders empfindlichen Sorte. Dafür kann Neumann sie später für acht Euro das Pfund verkaufen. Die früheren, robusteren Süßkirschen dagegen kosteten ab zwei Euro das Pfund – die Bäume hatten teilweise so viel Früchte, dass Neumann und seine Mitarbeiter Äste absägen mussten, weil sie sie nicht mehr tragen konnten. Für Erdbeeren zahlen Neumanns Kunden ab 2,50 Euro. „Es sind schon so viele reif, dass unsere Kunden ab Sonntag auch wieder selbst ernten können“, sagt er. Zwar gibt es auch bei Manfred Kleinert vom Obstgut Marquardt schon Erdbeeren, aber die stammten aus dem Spreewald, erklärt Kleinert. Dort sind sie wettergeschützt unter Folien und Flies gewachsen. Aber spätestens in acht Tagen könnten Kleinerts Kunden selbst Kirschen ernten. Immerhin stehen 800 Bäume in seiner Plantage. Vier von jeder Sorte.
Neumann hat von der frühen Kirschsorte nur 20 Bäume. Er hatte früher mehr, aber die habe er rausgerissen, weil die Stare ihm sowieso alle Früchte gestohlen haben. „Für die sind Kirschbäume bequem. Sie müssen das Futter nicht suchen. Sie setzen sich einfach in den Baum und fressen.“ Vogelschutznetze für alle Kirschbäume seien zu teuer.
Zurzeit müssen sich die Stare noch von Würmern und Schnecken ernähren. Aber in zehn Tagen fängt ja auch für sie die Kirschenzeit an.
Juliane Wedemeyer
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