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Landeshauptstadt: Frühstück im Dunkeln

Am Montag beginnt die „Woche des Sehens“

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Innenstadt – Etwas ganz Besonderes hat sich Stephanie Seidel zur „Woche des Sehens“ ab Montag ausgedacht: ein Frühstück im Dunkeln. Die Leiterin der Blinden-Beratungsstelle Am Alten Markt 10 hat dazu Schülerinnen und Schüler eingeladen: „Wir wollen erreichen, dass sich die Kinder besser in die Situation blinder Menschen hinein versetzen können.“

Das ungewöhnliche Frühstück findet am nächsten Montag und Mittwoch in einem Raum des Blindenhilfswerkes in der Rudolf-Breitscheid-Straße 49 statt. Teilnehmer sind Schülerinnen und Schüler der zweiten und dritten Klasse der Freien Schule Potsdam sowie Neuntklässler der Montessori-Schule.

„Wir führen die Schüler in den stockdunklen Raum an einen Tisch, auf dem das Frühstück mit belegten Brötchen vorbereitet ist“, erklärt Seidel. Die Kinder und Jugendlichen sollen erkennen, wie sich ein blinder Mensch mit Hilfe der Geschmacks-, Gehör- und Tastsinne orientieren kann. Wie schwer das oft ist, merken die Kinder beim Ertasten von Gegenständen, beim Erraten von Geräuschen wie dem Eingießen von Getränken oder beim Herunterfallen von Gegenständen. Auch ob die Frühstücksbrötchen mit Käse oder Salami belegt sind, will Stephanie Seidel vorher nicht verraten.

„Die Woche des Sehens ist ein Höhepunkt bei der Aufklärung über blinde und sehbehinderte Menschen, doch wir sind das ganze Jahr über tätig“, erklärt Reinhard König, Geschäftsführer des Sozialwerkes Potsdam. Zu seinen Aufgaben zähle das Sozialwerk beispielsweise die Pflege der Geschichte der Blindenarbeit. So sei im Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Bergholz-Rehbrücke, in dem sich früher ein Blindenheim befand, eine Vitrine zur Erinnerung an den Erfinder der Blindenschreibmaschine Oskar Picht aufgestellt worden.

Laut Seidel sei es wichtig, die Hemmungen sehender Menschen gegenüber Blinden abzubauen. Sie habe sich zum Beispiel von einem Arbeitgeber anhören müssen: „Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie Sie als Blinde arbeiten können.“ Für viele sei es unvorstellbar, dass ein blinder Mensch mit entsprechenden Hilfsmitteln in der Lage sei, mit fast allen modernen Kommunikationsmitteln umzugehen. Problematisch sei oft die eigenständige Orientierung im Stadtgebiet. Die Ausstattung mit blindengerechten Ampeln sei noch nicht ausreichend. Reinhard König verweist darauf, dass es nach mehreren Anläufen gelungen sei, jährlich 20000 Euro für diesen Zweck im Stadthaushalt vorzusehen. Das Geld solle verwendet werden, um bestehende Ampeln zu erneuern und instand zu setzen. „Ich werde nicht immer hinzugezogen beim Neubau von Lichtsignalanlagen und Straßen“, beklagt die Leiterin der Beratungsstelle. Mit der Stadt gebe es zwar eine gute Zusammenarbeit, aber wenn Fremdfirmen tätig seien, sei es oftmals schwieriger. Günter Schenke

Günter Schenke

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