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Diskussion im Einsteinforum über „Imperien“

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Seit dem Ende des Kalten Krieges gelten die USA als einzig verbliebene Supermacht. Vor allem wirtschaftlich und militärisch nehmen sie die unumstrittene Führungsrolle im globalen Kräftespiel ein. In Medien und Publizistik wird ihr dabei, nicht erst durch den Irak-Krieg, ein Begriff zugedacht, der eine lange historische Tradition hat: der des „Imperiums“. Amerikas starke Rolle in der Welt gleichbedeutend mit imperialem Machtstreben? Der Begriff „Imperium“ ist heute überwiegend negativ besetzt, „Imperialismus“ ein gängiger Topos für Ausbeutung, Unterdrückung und Gewalt. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts, geprägt von Kriegen und epochalen Umwälzungen, hat dazu ihr Übriges getan. Doch selbst in der Wissenschaft hat der Begriff „Imperium“ in den vergangenen Jahren eine augenfällige Konjunktur erlebt.

Die vom Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) herausgegebene Zeitschrift „Zeithistorische Forschungen“ hat diese Hinwendung zum Thema aufgegriffen und widmet sich in der aktuellen Ausgabe eingehend den „Imperien im 20. Jahrhundert“. Aus diesem Anlass wurde am vergangenen Donnerstag in Zusammenarbeit mit dem Einstein Forum eine Podiumsdiskussion geführt. Unter der Leitung von ZZF-Direktor Martin Sabrow debattierten Jörg Baberowski, Experte für Osteuropageschichte an der HU-Berlin, Andreas Eckert, Afrikahistoriker an der Universität Hamburg, der Politikwissenschaftler Thomas Risse von der Freien Universität Berlin sowie Michael Wildt, Neuzeithistoriker am Hamburger Institut für Sozialforschung.

Dass die Beschäftigung mit einem an sich gängigen, aber eben auch abgegriffenen Thema in der Forschung in letzter Zeit zunimmt, kommt sicher nicht von ungefähr. An der Schwelle zum 21. Jahrhundert haben sich neben den USA, man denke an China und Indien, neue Mächte etabliert, die nicht nur ökonomische Riesen sind. Es gibt also durchaus gegebenen Anlass, zurückzuschauen und dabei insbesondere den Blick auf das 20. Jahrhundert zu werfen. Doch was kann der Begriff „Imperium“ dabei analytisch leisten? Die auf dem Podium versammelten ausgewiesenen Experten für die Geschichte der Sowjetunion, Afrikas, des Nationalsozialismus haben versucht, den Begriff des „Imperiums“ auf ihre jeweiligen Forschungsgebiete anzuwenden. Ihr wissenschaftliches Interesse gilt dabei vor allem den unterschiedlich ausgeprägten Formen imperialer Herrschaft im 20. Jahrhundert, ihren Strukturen und Mechanismen, wie beispielsweise den spannungsgeladenen Dekolonisationsprozessen. Die Beschäftigung damit sei zwar keineswegs neu, wie betont wurde. Allerdings käme man heute immer mehr dazu, die verschiedenen Theorien und Forschungsansätze weit stärker zu verknüpfen und miteinander in Beziehung zu setzen. Insbesondere Fragen zum Verhältnis von Zentrum und Peripherie, ein Grundzug imperialer Herrschaft, zum Konflikt zwischen demokratischer und diktatorischer Ordnung werden so heute stärker gewichtet.

Allerdings wurde während der Diskussion deutlich, dass angesichts des Themenspektrums klare Formeln für die Anwendbarkeit von „Imperium“ nicht leicht zu finden sind. Zu vieldeutig ist der Begriff und die verschiedenen Herrschaftsformen im 20. Jahrhundert sind damit nur bedingt zu fassen. Gleichwohl sei es ein lohnenswerter Ansatz, sich in der Forschung verstärkt mit dem „Imperium“ auseinander zu setzen. Die aktuelle Ausgabe der „Zeithistorischen Forschungen“ versteht sich denn auch eher als Anregung zur Diskussion. Es bleibt die mit Spannung in die Zukunft blickende Frage, ob wir am Beginn eines neuen imperialen Zeitalters in veränderter Form und Ausprägung stehen. Carsten Dippel

Carsten Dippel

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