
© Andreas Klaer
Von Erhart Hohenstein: Fünf neue Pfeifen auf einem Boot
Die Töne S, A und C für Sacrow sind schon in der Heilandskirche. 900 Pfeifen soll ihre neue Orgel später haben
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Sacrow - Bei schwachem Wind lief er unter rostroten Segeln am Sonnabendnachmittag mit Verspätung am Port von Sacrow ein: der rostrote Lastensegler, der als ungewöhnliche Fracht fünf Orgelpfeifen an Bord hatte. Sie bilden die Vorhut für die insgesamt 900 Pfeifen der neuen Orgel für die Heilandskirche.
Am Steuer des Seglers stand der Dresdener Kristian Wegscheider, der den Auftrag für die neue Orgel erhalten hat. Für die ersten fünf Pfeifen hatte der Orgelbauer die Töne S - A- C für Sacrow und H - E für Heilandskirche ausgewählt. Der Pfarrer der Potsdamer Nordkirche, Friedhelm Wizisla, nahm die wertvolle Fracht in Empfang und sprach einen Segen. Eine große Schar von Interessenten verfolgte, wie die Orgelpfeifen ins Kircheninnere transportiert und auf die Empore an ihren künftigen Platz gehoben wurden.
Hier wird Wegscheider mit seiner Crew in den nächsten Wochen das Instrument zusammenbauen. Dabei ist das Einfügen der Pfeifen die leichtere Übung - drei Wochen nimmt die Intonation in Anspruch, damit die Orgel ihren vollen Klang gewinnt. Die Klangfarben des Instruments, das über 17 Register auf zwei Manualen verfügt, sollen mit dem an italienische Gotteshäuser angelehnten Baustil der Heilandskirche harmonieren. Die Einweihung der Orgel wird am 14. Juni mit einem Gottesdienst gefeiert. Dazu wird auch Generalsuperintendent Hans-Ulrich Schulz erwartet. Matthias Trommer, seit 34 Jahren Kantor, kann dann erstmals auf einer kompletten Orgel spielen. Seitdem nach der politischen Wende am Heiligabend 1989 wieder Gottesdienst gefeiert werden konnte, mussten die Besucher mangels Orgel a cappella singen.
Einen Rückblick auf die Geschichte der Orgel gab PNN Reinhard Beyer, der für den Orgeleinbau im Auftrag der Kirchengemeinde die Fäden in die Hand genommen hat. Dazu trat der Musiker, der zu den Mitbegründern des Kulturfördervereins Ars Sacrow e. V. zählt, mit seiner Frau Constanze an der Drehorgel als Moritatensänger auf. Das von dem Orgelbauer Gottlieb Heise 1846 eingebaute erste Instrument war im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt worden. Danach geriet das 1844 nach Skizzen König Friedrich Wilhelms IV. durch Ludwig Persius errichtete Gotteshaus in das Grenzgebiet zwischen Ost und West. Nach dem Bau der Berliner Mauer wurde durch die DDR-Grenzwächter Ende 1961 die Inneneinrichtung zerstört, darunter die Reste der Orgel. Die Gemeinde hat durch Restaurator Ulrich Schneider in den 1990er Jahren schrittweise das Innere der Heilandskirche, die Bestandteil des Unesco-Welterbes ist, wiederherstellen lassen. Nunmehr fehlte noch die Orgel. Reinhard Beyer würdigte am Sonnabend die mehr als 200 Spender, die mit meist kleineren Summen etwa 200 000 Euro für die neue Orgel aufbrachten. Sie konnten eine oder mehrere Pfeifen kaufen. Am Vorabend der Einweihung dürfen sie sich bei einer Spezialführung anhören, wie das von ihnen gesponserte "Patenkind" klingt. Im Juni, Juli, September und Oktober folgt eine Reihe von Konzerten auf der neuen Orgel.
Ganz fertiggestellt ist sie allerdings noch nicht. Für die Wiederherstellung der originalgerechten Farbfassung und des Gehäusezierrats sind nochmals etwa 30 000 bis 40 000 Euro notwendig, schätzt Reinhard Beyer. Hat die Gemeinde bisher alle Kosten selbst getragen, hofft sie dafür nun auf Hilfe aus einem Förderprogramm.
Erhart Hohenstein
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