DAS war’s: Fünf Säcke Zement als Mitgift
Vor ein paar Wochen war ich in Kenia. Im Läuferland.
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Vor ein paar Wochen war ich in Kenia. Im Läuferland. In einem kleinen Ort namens Iten, an dessen Eingang ein eiserner Torbogen in den Nationalfarben die Straße überspannt und mit der Aufschrift „Welcome to Iten – Home of Champions“ willkommen heißt. Die Stadt liegt 2500 Meter über dem Kerio Valley, in dessen Weite man von einem Läuferhotel blicken kann.
In der Speisekarte des Hotels stehen kleine Anekdoten. Ich habe mir nicht alle gemerkt. Aber eine habe ich behalten, was wahrscheinlich damit zu tun hat, dass man als Potsdamer besonders anfällig für Baugeschichten ist. Jedenfalls ist in der Karte zu lesen, dass beim Bau des Hotels ein Bagger nach einem kräftigen Regenschauer den schlammigen Hang herunterrutschte und nur von der Grundstücksmauer vom freien Fall ins Tal abgehalten wurde. „Die Bauarbeiter haben bei der Mauer also nicht am Zement gespart“, schlussfolgerte der Anekdotenschreiber. Man muss wissen, dass nicht nur der ein oder andere Sack Zement in Afrika sonderliche Wege nimmt.
Vergangene Woche hatte ich einen kenianischen Läufer aus Iten zu Gast in Potsdam. Er heißt Philemon und ist 20 Jahre alt. Wir sind durch den Wildpark gelaufen und durch den Neuen Garten. Zum Mittagessen sind wir in die FH-Mensa am Alten Markt gegangen. Als wir auf dem Weg dorthin das erste Mal vor der Baustelle des neuen Landtages standen, kam es zu folgendem Dialog:
„Was wird hier gebaut?“
„Hier stand mal ein Schloss, das wird wiederaufgebaut.“
„Warum?“
„Weil hier schon einmal ein König ein Schloss bauen ließ, das im Krieg zerstört wurde und man der Meinung war, dass 260 Jahre später hier wieder ein Schloss stehen sollte.“
„Ich wusste nicht, dass Deutschland noch einen König hat.“
„Haben wir auch nicht.“
„Für wen wird dann das Schloss gebaut?“
„Für die Politiker dieses Distrikts.“
„So viele Steine!“
„Ja.“
„Es ist ganz schön groß.“
„Ja. Was denkst du, was es kostet?“
Philemon überlegte kurz: „Ein paar Milliarden (kurze Pause) Kenia-Schilling.“
Er hat recht: Umgerechnet kostet das Landtagsschloss etwa 14 Milliarden kenianische Schilling. Ich habe nicht herausgefunden, was Philemon wirklich über die Schloss-Sache gedacht hat. Ich hatte es mit einem Vergleich versucht: So wie Iten die Heimstatt der Läuferchampions ist, sei Potsdam so etwas wie Heimat für königliche Bauten.
Aber ich bekenne mich schuldig, wenn Philemon einen falschen Eindruck von uns Potsdamern bekommen hat. Denn etwas später erzählte er mir, dass es in seinem Heimatort immer noch Tradition ist, dass für eine Heirat der Bräutigam Kühe als Mitgift mitbringen muss. Er brauche Geld für drei Kühe. „Natürlich nicht“, habe ich auf Philemons Frage geantwortet, ob man in Deutschland den künftigen Schwiegereltern ebenfalls Kühe mitbringen muss. Auch keine Ziegen oder Schafe. „Was dann?“, hat Philemon gefragt: „Fünf Säcke Zement?“
Peter Könnicke ist freier Journalist und arbeitet als Lauf- und Fitnesstrainer.
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