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Landeshauptstadt: Für „beide Haupt-Städte“ wichtig

Vor gut 170 Jahren rollten zwischen Berlin und Potsdam die ersten Eisenbahnen

Stand:

Ein wenig spät kam der von der Studiengemeinschaft Sanssouci veranstaltete Vortrag „170 Jahre Eisenbahn – Berlin-Potsdam“, denn die von den englischen Dampfloks Pegasus und Adler gezogenen Züge rollten schon ab 21. September 1838 über die erste in Preußen gebaute Bahnstrecke. Doch Verspätungen sind ja ein Markenzeichen der Bahn. Außerdem sei Potsdam die „Geburtsstadt des Schienenersatzverkehrs“, merkte der Vereinsvorsitzende Klaus Arlt an. Als 1846 die nach Magdeburg verlängerte Bahnstrecke in Betrieb genommen wurde, waren die Brücken über die Havel noch nicht fertig. Deshalb mussten die Reisenden die Spanne zwischen Hauptbahnhof und Bahnhof Charlottenhof in Pferdefuhrwerken zurücklegen.

Für den Vortrag hatte die Studiengemeinschaft Laurenz Demps gewonnen. Der bekannte Berliner Historiker (der übrigens Gleisbauer gelernt hat) sprach, wie angekündigt, vornehmlich über die Haltung des preußischen Staates in der Verkehrsfrage. Dabei räumte er mit dem Vorurteil auf, Friedrich Wilhelm III. sei eisenbahnfeindlich gewesen. Dem König klebt immer noch seine Äußerung an der Backe, für ihn sei es „keine besondere Glückseligkeit“, ob er nun eine Stunde früher in Potsdam ankomme oder nicht. Dennoch erteilte er Ende 1835 die Genehmigung zum Bau der Bahnstrecke. Zuvor war er aus Wirtschaftskreisen darauf hingewiesen worden, dass Berlin ohne Eisenbahnen „zu einer Provinzstadt herabsinken“ würde. In einer Kabinettsorder wies der König am 21. März 1836 an, „überhaupt nichts zu unterlassen, was zur Förderung des beabsichtigten gewiß für beide Haupt-Städte wichtigen Unternehmens beitragen kann“. Der Bau wurde dann durch die Berlin-Potsdamer Eisenbahn-Gesellschaft verwirklicht. Im persönlichen Testament bestimmte der König, dass eine erhebliche Summe aus seiner Privatschatulle im Eisenbahnbau angelegt werden sollte. Sein Sohn und Nachfolger Friedrich Wilhelm IV. förderte den Bau weiterer Strecken. Schon als Kronprinz hatte er sich als Eisenbahnfreund erwiesen. Zwei- bis dreimal wöchentlich fuhr er mit der Bahn früh um 7 Uhr nach Berlin und gegen 18 Uhr nach Potsdam zurück. Er veranlasste den Bau der Strecke nach Magdeburg und der für Preußen hochwichtigen Ostbahn nach Königsberg. Gegen den Widerstand der ständischen Versammlung und der Bürokratie setzte er den Ausbau des Eisenbahnnetzes auf Staatskosten durch.

Leider machte Demps im gut gefüllten Saal des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte keine Konzessionen an sein Potsdamer Publikum. Und so blieben vom geschäftstüchtigen Ansinnen des Zuckersieders Jacobs, den Bahnhof direkt vor seiner Fabrik nahe der Heiligengeistkirche zu bauen, bis zum Dampfross Jupiter, das wegen der aufgezogenen Zugbrücke 1856 am Kiewitt in die Havel stürzte, all die interessanten Geschicht(ch)en um die erste Eisenbahn in Preußen unerzählt. Kein Thema war auch die Auseinandersetzung um die bereits 1842 geplante Weiterführung der Bahn nach Magdeburg. Damals hatte Friedrich Wilhelm IV. um jede Sichtbeziehung und jedes Wäldchen gekämpft, die mit der Streckenführung über die Havel und durch den Wildpark geopfert werden sollten. Letztlich beugte sich der König aber den wirtschaftlichen Zwängen. Dass auf dem Vortragsabend diese heute für Potsdam wieder hoch aktuelle Problematik ausgespart wurde, erscheint schwer verständlich. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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