Broschüre zu fünf Jahren Potsdamer Toleranzedikt: Für eine offenere Gesellschaft
Potsdam ist toleranter geworden. So sieht es zumindest der Politologe Professor Heinz Kleger von der Universität Potsdam.
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Potsdam ist toleranter geworden. So sieht es zumindest der Politologe Professor Heinz Kleger von der Universität Potsdam. Anlässlich des fünften Jahrestags des Neuen Potsdamer Toleranzedikts veröffentlichte er im vergangenen Herbst eine Zwischenbilanz zum Projekt. In der schmalen Broschüre „Toleranzedikt als Stadtgespräch II“ beschäftigt sich der Politologe eingehend mit der Initiative von 2008, die er entscheidend mitgestaltete. Wer sich insbesondere für die politikwissenschaftlichen und historischen Hintergründe des Projekts interessiert und vor Fachbegriffen nicht zurückschreckt, wird dem Heft viel abgewinnen können.
Das neue Toleranzedikt spielt bewusst auf das berühmte Edikt von Potsdam an, das der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg 1685 erließ. Allerdings handele es sich weniger um eine Grundlage als eher um eine Steilvorlage, wie Kleger in seiner Broschüre betont. Das Edikt von Potsdam, das verfolgte Hugenotten nach Brandenburg einlud, war zwar ebenfalls Ausdruck von Toleranz und Offenheit. Das neue Edikt begrenzt sich in seiner Toleranz allerdings nicht nur auf die Religion. Auch sollte es nicht durch fertige Vorschriften erreicht, sondern zu einem persönlichen Anliegen der Bürger gemacht werden. Im Mittelpunkt stand also die direkte Partizipation der Potsdamer. Den Schlüssel sah Kleger hierbei im offenen Dialog, 2008 wurde daher ein Stadtgespräch eröffnet. Auf verschiedenste Weisen wurden die Potsdamer zur Partizipation angeregt, unter anderem durch Postkarten, Plakate, Diskussionsrunden und aufgestellte Diskussionstafeln in der ganzen Stadt. Die aus dem Dialog hervorgegangenen Ergebnisse sind Teil des fertigen Toleranzedikts, das Ende 2008 von Kleger veröffentlicht wurde.
In seiner neu erschienenen Schrift nimmt sich der Politologe Raum, Hintergrundwissen wie zum Beispiel die Wahl der Kommunikationsform zu vermitteln. Das Stadtgespräch, also der Dialog, sei eine „Schneise in die Wirklichkeit“. Werte und Richtlinien seien immer dann besonders wirksam, wenn sie aus Erfahrungen und gesellschaftlichem Konsens hervorgingen, wie zum Beispiel durch das unmittelbare Mitwirken von Stadtbewohnern am Projekt. In dem Heft geht es nicht um die Rekapitulation der Aktionen von 2008. Kleger geht besonders dem Begriff der Toleranz und seinem gesellschaftlichen Kontext auf den Grund. Die Broschüre informiert also über die bloße Reflexion des Neuen Potsdamer Toleranzedikts hinaus. Wobei auch der Bezug auf konkrete Beispiele aus der Potsdamer Geschichte und dem Potsdamer Stadtleben nicht fehlt.
Hier sieht Kleger auch die Errungenschaften des gemeinschaftlichen Toleranzprojekts. In der Veränderung des Stadtlebens findet er Spuren der mittlerweile über fünf Jahre zurückliegenden Aktion. So vermutet Kleger zum Beispiel in der Solidarisierung vieler Potsdamer mit Flüchtlingen im Oktober 2012 Nachwirkungen des Vorhabens. Bürger und Politik hatten den offiziell als illegal geltenden Protestmarsch der Flüchtlinge in Potsdam willkommen geheißen.
Das Edikt ist für Kleger somit kein Ergebnis, sondern ein Anknüpfungspunkt und Anstoß für vielfältige Entwicklungen, die in eine offenere Gesellschaft führen sollen. Um dieses Ziel weiterzuverfolgen, hat sich ein Jahr nach der Veröffentlichung des Toleranzedikts ein gleichnamiger Verein gegründet. Kleger spricht in der Broschüre dann auch an, dass es mit dem Edikt alleine noch nicht getan ist. Potsdam sei zwar toleranter geworden, Fremdenfeindlichkeit stelle jedoch nach wie vor ein großes Problem dar. Inwiefern sich das Projekt in den nächsten fünf Jahren weiterentwickeln wird, bleibt abzuwarten. Vielleicht kann man das ja dann 2018 in Klegers nächster Bilanz lesen.
Heinz Kleger: „Toleranzedikt als Stadtgespräch II: Eine Zwischenbilanz“, Books on Demand; ISBN: 978-3732235322
Clara Neubert
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