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Biografie des Aufklärers David Friedländer

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Als Unternehmer war er äußerst erfolgreich, seine Leidenschaft galt jedoch theologisch-geistigen Fragen. David Friedländer (1750 bis 1834) war Schüler und Freund des deutsch-jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn. Nach dessen Tod im Jahre 1786 wurde er zum Wortführer der jüdischen Aufklärer in Berlin. Er setzte sich für die Emanzipation der Juden in Berlin ein und vertrat deren Interessen bei den Verhandlungen zum Emanzipationsedikt von 1812. Dennoch oder gerade deshalb war er in der jüdischen Welt umstritten.

„Er hat Reformen radikal vorangetrieben“, sagte Julius H. Schoeps, Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien in Potsdam. In seinem neuesten Buch über David Friedländer hat sich der Historiker ausführlich mit dessen Einsatz für einen christlich-jüdischen Dialog befasst. Friedländer sorgte im Jahr 1799 mit seinem „anonym“ verfassten Sendschreiben an den Berliner Propst Wilhelm Teller, der sich als liberaler Protestant für die Gleichstellung der Juden einsetzte, für Aufregung. Das aufgeklärte Berliner Judentum habe eine Position zwischen überkommener Tradition und dem Glauben an die Vernunft angenommen, schrieb Friedländer. Einer Vereinigung von christlichem und jüdischem Glauben mit dem Ziel der staatsbürgerlichen Gleichstellung der Juden in Preußen sei möglich, wenn die Christen auf das christologische Dogma verzichten und die Juden Abstriche von den Zeremonialgesetzen machen würden. Diese „Vernunftreligion“ habe Friedländer den Vorwurf der Apostasie, der Abwendung von der Religion, eingebracht, so Schoeps. Der Historiker findet Friedländers Ideen höchst aufregend: „Solche Forderungen würden auch heute einen großen Krach provozieren.“

Friedländers „Vernunftreligion“ zeige die Bereitschaft der Juden, sich Anfang des 19. Jahrhunderts den Normen der Umgebungsgesellschaft anzupassen beziehungsweise sich als Teil der preußisch-deutschen Nation begreifen zu wollen, so Schoeps. Zu klären sei, ob Friedländer mit seinen Ideen zur Verschmelzung von Christentum und Judentum einen modifizierten Übertritt zum Christentum im Sinn hatte oder ob er einen Mittelweg zwischen einem aufgeklärten Judentum und einem unaufgeklärten Christentum aufzeigen wollte. Anders als viele seiner Nachfahren trat Friedländer nicht zum Christentum über. Es sei ihm vorrangig um die Gewährung staatsbürgerlicher Rechte gegangen, so Schoeps. Seine jüdische Herkunft habe Friedländer jedoch nie verleugnen wollen.

Auf mehr als 400 Seiten entwirft Schoeps ein facettenreiches Bild von Friedländers Leben und Werk vor dem Hintergrund der allgemeinen politischen Entwicklungen vor und nach 1800. Um die Motive seines politischen Handelns nachvollziehbarer zu machen, verknüpft Schoeps Friedländers bildungspolitische Vorstellungen mit dessen allgemeinen politischen Ansichten. Die Biografie liefert einen wichtigen Baustein für das Verständnis deutsch-jüdischer Beziehungsgeschichte beziehungsweise der deutsch-jüdischen Identität. Maren Herbst

Julius H. Schoeps: „David Friedländer. Freund und Schüler Moses Mendelssohns“, Georg Olms Verlag 2012

Maren Herbst

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