Landeshauptstadt: Für Einstein nach Sumatra
80 Jahre Einsteinturm: Geschichtssplitter des Astrophysikalischen Instituts
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80 Jahre Einsteinturm: Geschichtssplitter des Astrophysikalischen Instituts Das Astrophysikalische Institut Potsdam (AiP) nutzte den 80. Einsteinturm-Jahrestag bei seinem gestrigen Festkolloqium für einen Rückblick in die Institutsgeschichte. Vorträge widmeten sich Walter Grotrian (1890-1954), einem der bedeutendsten Potsdamer Astrophysiker, und der Sumatra-Expedition aufgrund der Sonnenfinsternis vom 9. Mai 1929. Walter Grotrian, dessen 50. Todestag das AIP in diesem Jahr begeht, gilt laut Prof. Jürgen Staude als Begründer der Physik der Sonnenkorona – dem Lichtkranz. Prof. Wolfgang Mattig, noch Schüler bei Grotrian, zeigte ein Bild von 1921, um die Bedeutung Grotrians zu verdeutlichen: Auf ein Couch sitzend und dahinter stehend eine Gruppe von Wissenschaftlern, fünf davon Nobelpreisträger, darunter Albert Einstein, Otto Hahn und Gustav Hertz. Der Jüngste im Rund: Walter Grotrian, von Hause aus klassischer Atomphysiker, was ihm laut Prof. Mattig sehr zugute kam: Grotrian habe Lichtspektren zu lesen verstanden. Diese kleinen „Einbuchtungen“ im Koronaspektrum – andere hätten ihnen keine Bedeutung beigemessen. Sie zeigten, dass Elektronengeschwindigkeiten in der Korona viel höher waren – und das schrieb er auch in seiner Publikation. Was er nicht schrieb, war, was eine so hohe Elektronengeschwindigkeit bedeutet – das war aber laut Prof. Staude jedem Physiker sofort klar: Es bedeutet, dass die Temperatur in der Sonnenkorona in den Millionen-Grad-Bereich ging. „Das war damals absolut neu“, so Prof. Staude. Bei der Sumatra-Expedition von 1929, an der auch Grotrian teilnahm, ging es um den Beweis der allgemeinen Relativitätstheorie von Einstein. Die sagt die Ablenkung der Lichtrichtung durch Gravitation voraus – Licht ferner Sterne wird durch die Anziehungskraft der Sonne abgelenkt. Der Mensch sieht Sterne, wo sie nicht sind – allerdings nur bei einer Sonnenfinsternis. 15 Tonnen Teleskope wurden bei Schnee und Eis in Potsdam verladen und ins wolkenfreie Sumatra verschifft, wie ein alter Film zeigt, den der Wissenschaftshistoriker Michael Scholz vorführte. Scholz, der einen Dokumentarfilm über die Potsdamer Sonnenforschung dreht, konnte noch Zeitzeugen interviewen: Den mittlerweile verstorbenen Forscher Friedrich Gondolatsch – und die Tochter des Einsteinturm-Architekten Erich Mendelsohn, Esther Mendelsohn. Diese war wohl eine der letzten lebenden Ohrenzeugen der „fürchterlichen“ Violinen-Künste Albert Einsteins. Laut Scholz ist sie am 17. Juli 2004 88-jährig in San Francisco verstorben. Guido Berg
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