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Das triste Bild trügt: Am Schlaatz besteht hohe Wohnzufriedenheit.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Für immer Schlaatz – mit Abstrichen

Studierende der Fachhochschule befragten Bewohner: Altersgerechte Wohnungen sind Mangelware

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Am Schlaatz - Die meisten der am Schlaatz wohnenden alten Menschen sind mit der Situation im Stadtteil zufrieden. Studierende der Fachhochschule Potsdam (FHP) ermittelten bei den über 70-Jährigen 77 Prozent Zufriedene. Allerdings fehlen lebensnotwendige Dinge für alte Menschen wie Aufzüge und genügend altersgerechte Wohnungen.

„Wer es sich leisten kann, zieht hier weg“ – diese Aussage findet Susann Wolf nicht bestätigt. Die junge Frau gehört zu einem vierköpfigen Team der FHP, das in zwei Regionen, neben dem Schlaatz fünf Dörfer im Havelland, unter dem Slogan „Gut leben im hohen Alter“ untersucht.

Jutta Bott, Professorin im Fachbereich Sozialwesen, äußerte sich gestern im Haus der Generationen erfreut, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung das Potsdamer Projekt ins Programm genommen hat.

Im Februar, als der Schlaatz vereist und verschneit dalag, waren sieben Studierende gemeinsam mit Projektmitarbeiterin Santje Winkler auf Achse, um Menschen zu finden, die über ihre Lebenssituation im Plattenbaugebiet Auskunft geben wollten. Ein kleiner Film zeigt, wie sich das abspielte. Zu zweit gingen die Studenten in die Kieze, Horste und Höfe, klingelten an den Haustüren, steckten manche Absage ein und fanden am Ende 53 Interview-Partner. „Die Befragung ist nicht repräsentativ“, bekennt Bott. Einblicke vermittele sie dennoch. Die Psychologin und Sozialpädagogin hat sich laut eigener Auskunft beruflich viel mit alten Menschen befasst. „Unentwegt Fernsehen, dreimal 30 Minuten Pflege, der Partner verstorben und die Kinder weit weg“, zeichnet die Professorin ein düsteres Bild. Das Projekt der FHP läuft noch zwei Jahre und in dieser Zeit wollen die Sozialpädagogen praktische Angebote für ein Wohngebiet wie den Schlaatz entwickeln, welche die Situation aufhellen. Es gehe darum, die „Lebensqualität bis zum Ende“ zu erhalten, sagt Bott und zielt vor allem auf funktionierende Netzwerke zur Nachbarschaftshilfe.

Dabei scheint es um die gute Nachbarschaft am Schlaatz gar nicht so schlecht bestellt zu sein. Immerhin meinen 66 Prozent der Befragten, dass eine gute Nachbarschaft vorhanden sei. Dabei sind die Ansprüche nicht besonders hochgeschraubt. Natürlich freuen sich ältere Menschen, wenn junge ihnen beim Transport schwerer Gegenstände helfen und beim Einkaufen unter die Arme greifen. 75 Prozent betrachten allein schon das Grüßen und Freundlichkeit als Zeichen guter Nachbarschaft.

Viele Aussagen über das Leben am Schlaatz erlebten die Studierenden als widersprüchlich. So werden die nahen Einkaufsmöglichkeiten einerseits gelobt, eine Einkaufsstätte im Zentrum wird jedoch einhellig vermisst. Die geschleifte Kaufhalle am Schilfhof wird als Zeichen des Verfalls und der Entfremdung gesehen. Sie war laut Meinung der älteren Bewohner mehr als eine Einkaufsstätte, auf dem Wege zu diesem zentralen Treffpunkt begegneten sich die Bewohner. Jetzt herrsche dort Leere und Verfall.

Auf der Haben-Seite nennen die Schlaatz-Bewohner, von denen ein hoher Prozentsatz zehn Jahre und länger hier lebt, vor allem die gute Verkehrsanbindung, das viele Grün, die kurzen Wege sowie die Ruhe. Sie vermissen jedoch die zentrale Einkaufsstätte, Sauberkeit und Ordnung, eine ausreichende ärztliche Versorgung und das Gemeinschaftsleben. Es müsse mehr Wohnprojekte als Alternative zu Einsamkeit und Isolation geben, wünschen sich viele.

„Wer es sich leisten kann, der zieht hier weg“, das trifft zwar laut der FHP-Befragung zumindest für die Alten nicht zu. Dringend geboten sind laut Bott aus dem Wohngebiet heraus zu entwickelnde Projekte, die diesem Umstand Rechnung tragen. „Vom Staat können wir nicht mehr Dienste erwarten.“ Günter Schenke

Günter Schenke

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