
© A. Klaer
Von Erhart Hohenstein: Für „Lesetapeten“ und Sachzeugen
Neue Forschungserkenntnisse zu ehemaligem KGB-Gefängnis / Grünen-Abgeordnete Behm vor Ort
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Nauener Vorstadt - Sieben bisher unbekannte Häftlinge des Potsdamer KGB-Gefängnisses Leistikowstraße werden auf einem Dokument genannt, das seit kurzem im Foyer der Gedenk- und Begegnungsstätte gezeigt wird. Die Liste wurde von dem Forschungsteam entdeckt, das unter Leitung der Historikerin Ines Reich bis 2011 die neue Dauerausstellung für die Gedenkstätte erarbeiten will.
Reich informierte am Samstag die Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm (Bündnis 90 / Grüne) und Kommunalpolitiker über den Stand der Arbeiten. So hat die in Potsdam lebende Sofija Yalovetskaja, geborene Tentser, für eine Vitrinenausstellung im Foyer persönliche Dokumente und Fotos übergeben. Die Ukrainerin jüdischer Abstammung war 1946 vom sowjetischen Geheimdienst in der Leistikowstraße inhaftiert und danach in ein Zwangsarbeitslager deportiert worden.
Einen Glücksfall nannte die Gedenkstättenleiterin, dass ihr Team in Rostow am Don den Kontakt zu einem ehemaligen Sowjetsoldaten herstellen konnte, der in den 1960er Jahren im KGB-Gefängnis gesessen hatte. Während über die Häftlinge bis 1954, damals überwiegend Deutsche, bereits relativ umfangreiche Informationen gesammelt wurden, sei die Quellenlage für die Jahre danach dürftig. Die Gedenkstätte wolle jedoch auch die Etappe bis zum Abzug der Russen erforschen und darstellen. In diesem Zeitraum saßen in der Leistikowstraße bis in die 1980er Jahre nur noch russische Armeeangehörige ein. Danach wurde es als Lager genutzt. 1994 wurde das Gelände des vom russischen Geheimdienst genutzten „verbotenen Städtchens“ an die deutsche Seite zurückgegeben.
Im Foyer ausgestellt ist nun auch das Originaltelefon, über das die Gefängniswärter bei „besonderen Vorkommnissen“ die Wachen alarmieren konnten. Ines Reich wies auf die hohe Überzeugungskraft hin, die solche Sachzeugen gerade auf jüngere Besucher ausüben, die „Lesetapeten“ langweilig finden. Diese Bemerkung löste bei Cornelia Behm Widerspruch aus. „Die Deutschen sind glücklicherweise noch ein Volk, das des Lesens mächtig ist“, erklärte die Bundestagsabgeordnete. Deshalb sollten in ausgewogenem Verhältnis auch Texte und Fotos ihren Platz finden. Behm verwies auf die 2005 von der Opfervereingung „Memorial“ erarbeitete Ausstellung „Von Potsdam nach Workuta“, die sich auf Häftlingsschicksale konzentrierte. Diese Fokussierung auf die Opfer müsse auch für die neue Dauerausstellung bestimmend sein. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf die vorbildliche und emotional anrührende Gestaltung der Ausstellung zum 1945 auf dem Gelände des KZ Buchenwald eingerichteten sowjetischen Speziallagers. Behm würdigt ausdrücklich die Tätigkeit des Fördervereins für die Gedenkstätte und anderer Vereine, die den Abriss des Gefängnisgebäudes verhindert, mit Hilfe von Zeitzeugen Besuchern die Häftlingsschicksale nahegebracht und den Ausbau zur Gedenkstätte initiiert haben. Diese Vereine hatten in jüngster Zeit beklagt, nicht mehr in gewünschtem Maße in die Arbeit der Gedenkstätte einbezogen zu werden.
Erhart Hohenstein
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