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Die Gremien- und Parlaments-Wahlen an der Universität Potsdam hatten nur wenig Zulauf
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Die Gremien- und Parlaments-Wahlen an der Universität Potsdam hatten nur wenig Zulauf Von Angela Gencareli „Rettet Golm – Jetzt wählen!“ Schlapp hängt das weiße Bettlaken mit der Aufschrift zwischen zwei Bäumen an der Bushaltestelle des Uni-Campus Golm. Wie die Faust aufs Auge passt der Hilferuf in die graue Tristesse von Plattenbauten und Baustelle, in der der Regen große braune Wasserlachen hinterlassen hat. Die leuchtend roten Buchstaben müssten auch die letzten unwissenden Studenten auf die Wahl zum Studierendenparlament (StuPa) und der studentischen Vertreter für die Fakultätsräte und den Senat aufmerksam gemacht haben. Doch die vielen versteckten Gesichter unter den aufgespannten Regenschirmen bleiben von der Aufforderung, durch die Wahl ihre Interessen wahrzunehmen, auch an diesem vorletzten Wahltag scheinbar unberührt. Björn, der Deutsch studiert, bringt immerhin ein Lächeln hervor, als er das Bettlaken sieht. „Ich gehe nicht wählen, weil die ohnehin keine wichtigen Entscheidungen treffen“, erklärt er. Einzig die Einführung von Studiengebühren würde ihn betreffen. „Aber da haben die vom StuPa nichts zu sagen“, stellt er resigniert fest. Er hat es eilig, will schnell weiter zum nächsten Zug und winkt ab. Wesentlich mehr Zeit hat sich Elsa, ebenfalls Lehramtsstudentin, für die Wahl genommen. Für sie ist es eine soziale Verantwortung, wählen zu gehen. Doch allein der Wille zur Wahl reicht nicht aus. Diesmal gehört auch Geduld dazu. Denn das Wahllokal liegt mit seinen drei Wahlkabinen ein wenig versteckt, schwer erreichbar, nicht wie in den Vorjahren in zentraler Lage. „Ich bin einmal um den ganzen Campus gelaufen, um zum Wahllokal zu gelangen“, erzählt Elsa. Wegen der großen Baustelle, die den Campus in zwei Hälfen reißt, ist der Neubau, in dem sich das Wahlbüro befindet, nur über Umwege zu erreichen. Es wird sich zeigen, ob die ohnehin meist geringe Wahlbeteiligung durch diesen Umstand noch zusätzlich gedämpft wird. Wahlhelferin Fanny spricht am zweiten Wahltag von einer sehr geringen Beteiligung. „Im vergangenen Jahr haben wir zumindest Stoßzeiten ausmachen können. Dieses Mal hält die gähnende Leere über den ganzen Tag an.“ Sie blättert enttäuscht in den dicken Namenslisten der wahlberechtigten Studenten und zeigt auf die vereinzelten Kreuzchen hinter denen, die ihre Stimme abgegeben haben. Auch im Foyer des Hauptgebäudes in Griebnitzsee sieht es nicht anders aus: Bis auf die Wahlhelfer hinter den großen Pappkartons herrscht auch hier Flaute. „Ich schätze die Wahlbeteiligung bisher auf etwa fünf Prozent“, meint Wahlhelfer Martin. Aziz, der aus Marokko kommt und BWL studiert, ist einer von diesen wenigen, die es an die Urnen in Griebnitzsee gelockt hat. Obwohl er seit vier Semestern an der Uni Potsdam studiert, hat er dieses Jahr zum ersten Mal gewählt. „Vorher habe ich weder die Listen noch die Kandidaten gekannt und wusste nicht wofür sie gut sind“, sagt Aziz. Mittlerweile hat er Leute von der offenen, linken Liste (oll) kennen gelernt und traut ihnen zuverlässige Hochschulpolitik zu, insbesondere dem Listenkandidaten der oll, der ebenfalls aus Marokko stammt. Die Jura-Studentin Greta kennt niemanden von den Listen und gibt trotzdem ihre Stimme ab. „Ich habe völlig wahllos gewählt“, erklärt sie. Greta hat sich die Wahlzettel angesehen und hinter den Namen ein Kreuzchen gemacht, der ihr spontan gefallen hat. Eigentlich hatte sie auch nicht vor gehabt zu wählen, wäre da nicht ihr Kommilitone Thorsten gewesen. Thorsten hat drei Studentinnen nach einer Vorlesung zu den Urnen geschleppt. Politisch beeinflusst hat er die Ahnungslosen nicht. Und so blieben sie auch über den Urnengang hinaus hochschulpolitisch unwissend. Das Endergebnis der Wahlen, die bis gestern stattfanden, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.
Angela Gencareli
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