Landeshauptstadt: Garantiert weiß
Weihnachten auf Spitzbergen: Für das Potsdamer Alfred-Wegener-Institut verbringen drei Forscher die Festtage auf einer arktischen Forschungsbasis – mit Eisbären-Alarm muss gerechnet werden
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Während es in Potsdam eher frühlingshaft als winterlich zugeht, zeigt das Thermometer bei Verena Mohaupt an diesem Morgen minus 15 Grad Celsius an. Schnee bedeckt die raue Landschaft. Durch das Telefon klingt ihre Stimme klar und deutlich, als wäre sie ganz in der Nähe. Dabei ist die 30-jährige Physikerin Tausende Kilometer weit entfernt – in Ny-Ålesund auf der norwegischen Insel Spitzbergen. Hier, nur 1200 Kilometer vom Nordpol entfernt, leitet Verena Mohaupt die AWIPEV-Forschungsstation, die das Potsdamer Alfred-Wegner-Institut (AWI) und das französische Polar-Institut Paul Emile Victor (IPEV) gemeinsam betreiben. Insgesamt wird Verena Mohaupt 14 Monate in der Arktis bleiben – und hier auch die Weihnachtsfeiertage verbringen.
Der Winter ist in Ny-Ålesund eher eine ruhige Zeit, während der Weihnachtsfeiertage und dem Jahreswechsel ist es besonders still: „Wir sind momentan zu dritt auf der Station“, sagt Verena Mohaupt. Neben der Stationsleiterin überwintern Stationsingenieurin Kerstin Binder und der französische Logistikingenieur Thomas Dupeyron in der arktischen Forschungsbasis.
Im Sommer herrscht dagegen reger Betrieb: Forscherteams reisen an und ab, führen Experimente auf der Insel durch, beobachten und beringen die reichlich vorkommenden Seevögel, untersuchen die Meeresbiologie oder vermessen Gletscher. Auch Touristen treffen ab und zu ein. Dennoch sind die drei Mitarbeiter der AWIPEV-Station nicht die einzigen Wintergäste in Ny-Ålesund. Etwa 30 weitere Arktisforscher und Angestellte bevölkern derzeit das Dorf, das insgesamt aus zehn internationalen Forschungsstationen besteht und zu den nördlichsten besiedelten Gebieten der Erde gehört.
„Weihnachten feiert das gesamte Dorf zusammen“, erzählt Verena Mohaupt. Für die Stationsleiterin und ihr Team wird es das erste Weihnachtsfest in Ny-Ålesund sein, im April haben sie ihren Dienst angetreten. Da begann gerade der arktische Sommer, auch die Nächte blieben taghell. Nun ist es in der Arktis nicht nur kalt, sondern auch dunkel. Seit Wochen hat sich die Sonne nicht mehr gezeigt. Doch Verena Mohaupt macht das wenig aus: „Ich finde das nicht schlimm, man gewöhnt sich daran“, sagt die Wissenschaftlerin. Und schließlich gibt es auch genug Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten: In der Sporthalle stehen Fitnessgeräte und Laufbänder bereit, die Langlaufskier werden häufig genutzt und es finden sich immer ein paar Leute für das Hallenhockey.
Doch außerhalb der Häuser ist Vorsicht angeraten: Schließlich ist Spitzbergen auch die Heimat von Eisbären. „Man muss immer aufpassen“, sagt Mohaupt. Signalpistolen und auch eine Waffe für den Notfall sind ständige Begleiter bei Ausflügen in die Umgebung. Vor der Abreise nach Spitzbergen absolvierte das Team einen Vorbereitungskurs in Potsdam, zu dem auch ein Schießtraining gehörte. Eisbären hat die Forscherin bisher aber nur von Weitem gesehen. „Zum Glück“, wie sie sagt. Wird ein Eisbär gesichtet, funktioniert die Informationskette unter den Dorfbewohnern gut: „Wir meiden dann die betroffene Gegend“, so Mohaupt. Und nähert sich ein allzu neugieriges Tier doch einmal dem Dorf, wird es verscheucht – mit Lärm.
Richtige Weihnachtsferien gibt es für die Bewohner des Forschungsdorfes nicht: Während der Feiertage werden die Messreihen lückenlos fortgeführt. Die zahlreichen Geräte und Instrumente der verschiedenen Labore und Observatorien müssen täglich gewartet und kontrolliert werden. Und auch der Wetterballon, der Luftdruck, Temperatur, Feuchte und Windgeschwindigkeit misst und die Daten an die Bodenstation überträgt, wird jeden Tag, ohne Ausnahme, Punkt zwölf Uhr auf die Reise geschickt.
Weihnachtliche Rituale gibt es dennoch: Nach dem klassischen norwegischen Weihnachts-Porridge, den die Forschungsdorfbewohner am Nachmittag gemeinsam in der Kantine einnehmen, gibt es am Heiligen Abend eine Schlittenfahrt mit „Rudolph“ – dem alten, großen Kettenfahrzeug. „Rudolph wird einmal im Jahr herausgeholt und geschmückt und dann kann sich das halbe Dorf mit Glühwein auf den Schlitten setzen“, sagt Verena Mohaupt und lacht. Die Dorfbewohner beschenken sich mit kleinen Aufmerksamkeiten und schmücken die beiden großen Weihnachtsbäume im Gemeinschaftsraum und der Kantine gemeinsam. Sogar ein Pfarrer aus Longyearbyen – dem größten Ort Spitzbergens – wird das Forschungsdorf zwischen Weihnachten und Neujahr besuchen.
Dass Weihnachten nicht mehr fern ist, kündigte sich in Ny-Ålesund auch durch die zahlreicher werdenden Weihnachtspakete an, die mit dem zweimal wöchentlich verkehrenden Versorgungsflugzeug eintreffen. „Wenn das Flugzeug in den letzten Wochen ankam, waren schon alle neugierig, ob ein Päckchen für sie eingetroffen ist.“ Ihr elterliches Weihnachtspaket hat sie bereits erhalten, und ja – natürlich vermisst sie Freunde und Verwandte, gerade in dieser Zeit. „Aber“, so sagt sie „hier habe ich auch so etwas wie meine kleine Familie.“ Und schließlich gibt es auch auf Ny-Ålesund ein Telefon.
Heike Kampe
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