Landeshauptstadt: Gartenkinder mit Blumenwagen
In Potsdams ältester Kleingartenanlage am Hinzenberg ist das Vereinsleben noch intakt
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In Potsdams ältester Kleingartenanlage am Hinzenberg ist das Vereinsleben noch intakt Von Erhart Hohenstein Innenstadt. Zum Sommerfest zogen die Gartenkinder vom Hinzenberg mit Wägelchen voller Blumen und Obst auf den Festplatz. Für die am schönsten geschmückten gab es Preise. In solchen Augenblicken wird besonders deutlich: Potsdams älteste Kleingartenanlage, die im Herzen der Stadt grünt, ist auch mehr als ein Jahrhundert nach ihrer Gründung eine Idylle geblieben. Der Vereinsvorsitzende Eduard Goedecke, ein Architekt, kennt keine schwarzen Schafe unter den 165 Mitgliedern, die 87 Parzellen bewirtschaften. Allenfalls schafft mal ein hoch in die Jahre gekommener Pächter die Pflege nicht mehr, dann aber wird ihm geholfen. Werden Parzellen frei, bemüht sich der Vorstand um junge Familien als Nachfolger. Manche Vereine haben Probleme mit der Neuverpachtung aufgegebener Gärten, doch auf den Hinzenberg trifft dies nicht zu. Er liegt ideal auf einer südlich des Lustgartens in die Havel ragenden Halbinsel und lädt damit nicht nur zum Gärtnern, sondern auch zum Bootfahren und Angeln ein. An die 15 Kähne sind am sparteneigenen Schwimmsteg vertäut. Zudem bieten ausnahmslos alle Parzellen einen gepflegten Anblick, und auch mit der Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Ein-Drittel-Anteils an Beetfläche für Gemüse gibt es keinerlei Probleme. „Nein, mit dem Zollstock laufen wir nicht herum, um nachzumessen“, stellt Gödecke klar, „doch wir achten darauf, dass die kleingärtnerische Gestaltung gewahrt bleibt.“ Und so wachsen auf dem wassernahen Gelände Tomaten, Gurken und Bohnen ganz prächtig. Nur Möhren wollen partout nicht gedeihen. Auch für das Verbrennen von Holzabfällen, das ja laut Landtagsbeschluss wieder erlaubt ist, hat der Verein eine sinnvolle Lösung gefunden. Dafür wurde ein Sammelplatz eingerichtet. So qualmt es nicht mal hier, mal da und zu unterschiedlichsten Zeiten auf den einzelnen Parzellen. Das kommt nicht nur den Gartenfreunden, sondern auch den vielen Spaziergängern zugute, die durch die blühende Anlage gehen. Durchsetzen kann man solche Regelungen nur, wenn niemand quer schießt. Das Vereinsleben ist am Hinzenberg noch intakt. Dafür spricht beispielsweise, dass es neben Fasching, Tanz in den Mai, Pfingstfrühschoppen, Sommer- und Kinderfest und einem Grillabend zum Saisonabschluss im Spätherbst auch eine Dankeschönveranstaltung für all jene Gartenfreunde gibt, die bei den Verschönerungseinsätzen mehr als die zehn jährlich geforderten Arbeitsstunden geleistet haben. Zugute kommt den „Hinzenbergern“, dass sie eine weithin bekannte Vereinsgaststätte besitzen. In abgelegenen Sparten können solche Lokale nur mit Mühe über Wasser gehalten werden, doch hier in der Stadtmitte floriert sie dank der schönen Lage und einem tüchtigen Wirt. Auch die moderaten Preise tragen dazu bei, dass sie für Hochzeiten, Jugendfeiern, Klassentreffen ein attraktiver Ort ist – und auch für die Mitarbeiter der nahe gelegenen Ministerien. Wenn etwas diese Idylle beeinträchtigt, könnten das nur die Züge sein, die durchschnittlich alle acht Minuten auf dem Bahndamm vorbeirauschen. Doch ihnen verdankt die Anlage eigentlich ihre Existenz. Als 1888 der Damm der Potsdam-Magdeburgischen Eisenbahn höher gelegt wurde, kaufte Clara Hoffbauer – bekannt durch die zum Andenken an ihren Mann begründete, noch heute auf Hermannswerder bestehende Stiftung – die Hinzenbergwiesen auf und ließ sie durch Erdmassen aufschütten und erweitern. Um 1900 verpachtete sie das Land an „Kolonisten“, die sich zu dem noch heute bestehenden Verein zusammenschlossen.
Erhart Hohenstein
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