Landeshauptstadt: Gartenzwerge zwischen Mangold und Paprika
Die Kleingartenanlage „Am Lindstedter Tor“ und der Mustergarten von Erika Rothe
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Die Kleingartenanlage „Am Lindstedter Tor“ und der Mustergarten von Erika Rothe Von Erhart Hohenstein Sanssouci. Erstaunlich, was auf der Parzelle 18 im Kleingartenverein „Am Lindstedter Tor“ so alles wächst. Erika Rothe nutzt die 400 Quadratmeter bis in den letzten Winkel. Aus einem Keramikbaum sprießen statt der Zweige von Rosmarin bis Oregano Omas Küchenkräuter. Liebstöckel hat an einem Beetrand Platz gefunden. Die Winterkakteen haben die kalten Tage gut überstanden. Schwarzwurzeln und der etwas aus der Mode gekommene Mangold, der wie Spinat zubereitet wird, konkurrieren mit „modernen“ Gemüsearten wie Paprika oder Zucchini. Efeu umrankt das Regenwasserfass, von den um den kleinen Teich gruppierten Pflanzen blüht gelb bereits die Sumpfdotterblume. Auch mancherlei Zierrat hat die 70-Jährige im Garten untergebracht, den sie seit fast zwei Jahrzehnten bewirtschaftet. Auffällig die als Geschenke der Kinder anwachsende Schar der Gartenzwerge. Zu viele? „Ach was“, sagt Erika resolut, „wem die Zwerge zu viel sind, der soll einen mitnehmen.“ Moritz, die wild lebende Spartenkatze, findet jedenfalls nichts dabei und lässt sich gern in Rothes Garten füttern. Der Vereinsvorsitzende Dieter Kriegel zeigt die Parzelle 18 gern als Mustergarten, könnte das aber auch mit vielen anderen, schlichter gestalteten, doch nicht weniger gepflegten Gärten tun. Überhaupt wurde das „Lindstedter Tor“ 1968 als „Mustersparte“ angelegt. Davon zeugen die auf einigen Strecken noch von Blumenrabatten begrenzten breiten Wege, die exakt ausgerichteten Lauben des Typs GL 24 und die Gemeinschaftsanlage mit Materiallager, zentralem Kompostplatz und Düngerschuppen. Sogar an die 200 Hühner wurden hier früher gehalten. An die Verpflichtung, die Anlage für Spaziergänger öffentlich zugänglich zu machen, erinnern Ruhebänke – Prämien für die viermalige Verteidigung des Titels „Anerkanntes Naherholungsgebiet“. Ihren Ursprung hat die Anlage in der ersten Potsdamer Kleingärtnervertreibung in den 60er Jahren. Damals musste die Sparte an der Stormstraße dem neuen Wohngebiet Potsdam-West weichen. Unter ihrem Vorsitzenden Heinz Wilschewski setzten sich die Vereinsmitglieder heftig zur Wehr und erreichten immerhin, dass ihnen im Winkel zwischen Amundsenstraße und Maulbeerallee eine unkrautüberwucherte Ackerfläche als neuer Standort zugewiesen wurde. 1968 begann die große Buddelei, 1970 standen die ersten Lauben, ein Jahrfünft später wurden Wasser- und Elektroleitung gebaut. Schritt für Schritt wuchs das Vereinsheim, das sogar einen Festplatz mit kleiner Bühne erhielt. Zum Sommerfest wird hier nach wie vor zum Tanz aufgespielt. Bei diesen Festen wird der Vorstand kräftig vom Wirt der Vereinsgaststätte unterstützt. Einem breiteren Kreis ist Udo Arndt, der das Lokal seit zehn Jahren in Pacht hat, durch seine vorzügliche und recht preiswerte Küche bekannt. Rentner wie Handwerker wissen die für eine Kleingartenkneipe ungewöhnlich lange Speisekarte mit 39 Positionen zu schätzen. Dieter Kriegel, der den Verein schon einmal bis 1988 leitete, ist bemüht, die gemeinschaftlichen Aktivitäten der 116 Mitglieder auf den 64 Parzellen wieder auf den Stand von damals zu bringen. Nicht leicht in einer Zeit, in der der Solidaritätsgedanke verloren gegangen scheint. Gerade ist der 66-jährige einstige Eisenbahner mit einer Hand voll Getreuer in einem Arbeitseinsatz dabei, das Außengelände zu pflegen. Filmabende, Blaskonzerte, Kutschfahrten und Skatturniere wird“s vielleicht nicht mehr geben, aber das Sommerfest verläuft schon wieder sehr stimmungsvoll.
Erhart Hohenstein
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