
© Andreas Klaer
Von Eva Schmid: Gebärden für jedes Alter
Der Babelsberger „Sprachladen von 0 bis 99“ wurde als Innovationsort ausgezeichnet
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Babelsberg - Sie will fremde Welten öffnen, Verständnis wecken zwischen Gehörlosen und Hörenden. Im kleinen „Sprachladen von 0 bis 99“ von Anna-Kristina Mohos sollen die Weltentdeckungen ihren Anfang finden. Für ihre verbindende Geschäftsidee von Behinderten und Nicht-Behinderten erhielt Mohos gestern die Auszeichnung als „Ausgewählter Ort“ im Rahmen der bundesweiten Imagekampagne „Deutschland - Land der Ideen“ ausgezeichnet worden.
In ihrem Geschäft will die gelernte Dolmetscherin für Gebärdensprache „Kommunikationsbarrieren abbauen und zwar schon im frühesten Kindesalter.“ Vor gut einem Jahr hatte Mohos die Idee für das Projekt Gehörlose und Hörende zusammenzuführen. Dafür bietet sie in ihrem Sprachladen Angebote wie Gebärdensprachkurse für alle Altersstufen, Weiterbildungen für Gebärden-Dolmetscher sowie Stadt- und Museumsführungen, die in Gebärdensprache durchgeführt werden.
„Wie wichtig und alltäglich Gebärden im Alltag sind, sehen wir an der Arbeit von Dirigenten oder Verkehrspolizisten – allein mit ihrer Stimme könnten sie niemals so dirigieren, wie sie es mit ihren Gebärden schaffen“, erklärte Carola Günther von der Deutschen Bank in Potsdam, die die Auszeichnung übergab. Bei den Überlegungen zu einer barrierefreien Stadt würden Hörbehinderte oftmals aus dem Fokus rutschen, so Karsten Häschel, Behindertenbeauftragter der Stadt. Es sei viel leichter Bordsteinabsenkungen oder Informationstafeln in Blindenschrift anzubringen, als die Bedürfnisse der Gehörlosen zu erfassen. Und besonders Potsdam habe im Freizeitbereich für Gehörlose noch wenig zu bieten. Da seien die Stadtführungen des Sprachladens sehr willkommen.
„Wir haben keine Probleme mit der Gesellschaft, sie hat eher welche mit uns“, resümierte Thomas Geißler, Vorsitzender des Berliner Gehörlosenverbandes in Gebärdensprache. „Anstatt immer die Defizite hörbehinderter Menschen zu betonen, versuche der Sprachladen die Gebärdensprache positiv zu verknüpfen und beide Seiten dafür zu interessieren“. Dass zum ersten Mal ein Gebärdenprojekt in der Region eine innovative Auszeichnung bekam, freute Geißler besonders. „Wir in Berlin machen zwar auch viele Projekte, aber haben es bisher noch nicht geschafft einen Preis einzuheimsen“. Der Preis ist eine Urkunde und wird bereits seit 2006 jährlich an 365 Unternehmen, Personen oder Institutionen vergeben. Ein ’Ausgewählter Ort im Land der Ideen’ repräsentiere die Innovations- und Gestaltungskraft Deutschlands, so Carola Günther.
Um ihr Innovationspotential noch zu steigern, lud Anna-Kristina Mohos ein, im Sprachladen selbst Projekte zu starten. Einzige Bedingung: es muss etwas mit Gebärden zu tun haben. Für sie sei es besonders wichtig, dass Hemmschwellen zwischen Hörenden und Gehörlosen gar nicht erst entstehen. Wenn sich einmal Vorurteile durch Unkenntnisse verfestigt hätten, ist deren Abbau oft schwieriger. Daher hat sie in diesem Jahr bereits in fünfzehn Babygebärdenkursen hörenden Eltern und Kindern gelehrt, wie nonverbale Kommunikation funktioniert. Bereits ab sechs Monaten sind Babys in der Lage, sich durch Mimik, Gestik und Zeichen zu verständigen. Das Sprechen erlernen sie in der Regel erst ab dem 16. Monat. Nach einem Gebärdenkurs sind die Kleinsten dann in der Lage, ihren Eltern mitzuteilen was ihnen fehlt, auch ganz ohne lautes Geschrei.
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