Landeshauptstadt: Gebrüllt, gespuckt, geschlagen – Parkplatzstreit eskalierte
Freispruch trotz Zweifel an der Unschuld des Angeklagten
Stand:
Freispruch trotz Zweifel an der Unschuld des Angeklagten Von Gabriele Hohenstein Fast ging es gestern im Amtsgericht zu wie bei Barbara Salesch. Der Angeklagte brüllte den Zeugen an. Dieser ließ die verbalen Attacken nicht auf sich sitzen und schrie zurück. Die Vorsitzende hatte Mühe, die Gemüter zu beruhigen. Doch eigentlich konnten die Kampfhähne gar keinen besseren Beweis ihres cholerischen Temperaments präsentieren, das offensichtlich auch am Morgen des 16. November 2002 mit ihnen durchging. Da standen Max A. * (50) und Erwin B.* (50) mit ihren Autos im Halteverbot. Ersterer wollte mit Frau und Tochter schnell einkaufen, Letzterer holte die Gattin von der Arbeit ab. Bauunternehmer Max A. parkte seinen Mercedes vor dem Gefährt von Erwin B. – zu dicht, für das Empfinden des Berufskraftfahrers. Folgt man den Ausführungen von A., dann stieg B. unversehens aus, fragte ihn, ob er seinen Führerschein in der Lotterie gewonnen habe, bezeichnete ihn u. a. als Penner und forderte ihn auf, seinen Wagen schnellstens zu entfernen. Als Max A. dem nicht nachkam, seinen Mercedes gar noch dichter an das Gefährt des Kontrahenten lenkte, soll Erwin B. ihm ins Gesicht gespuckt, danach „so richtig mit Schmackes“ mit der flachen Hand zugelangt haben. Auf der Anklagebank sitzt allerdings Max A. Er kann nicht verstehen, dass der Staatsanwalt ausgerechnet ihm Beleidigung und Körperverletzung zur Last legt. Doch Erwin B. präsentierte der Strafverfolgungsbehörde folgende Geschichte: Als der Angeklagte ihm mit seinem Gefährt zu dicht auf die Pelle rückte, habe er ihn lediglich gefragt, wie er aus der Lücke rauskommen solle. Statt nun rücksichtsvoll Platz zu machen, habe er ihn noch enger zugeparkt. Danach – so die Aussage des vermeintlichen Opfers – habe Max A. ihn angespuckt, gar beschuldigt, seine Frau und die kleine Tochter angefasst zu haben. Als er später aus seinem Auto stieg, habe Max A. ihm drei Fausthiebe ins Gesicht verpasst, dass die Brille wegflog. „Ich habe versucht, mich vor den Schlägen zu schützen“, betont der Kraftfahrer. „Selber ausgeteilt habe ich nicht. Und ich habe den Angeklagten auch nicht beschimpft.“ Max A. – zahlreich vorbestraft – hält es kaum noch auf seinem Platz. Unbeherrscht fällt er dem Zeugen ins Wort, bezichtigt ihn der Lüge. Der kann ein ärztliches Attest vorweisen, das ihm drei oberflächliche Blessuren im Gesicht und eine blutende Nase nach dem Übergriff bescheinigt. Die zum Tatort gerufenen Polizisten machten sich nicht die Mühe, das vermeintlich eingequetschte Auto des Herrn B. in Augenschein zu nehmen. „Wir trennten die beiden und nahmen ihre gegenseitigen Anzeigen auf“, so Detlef C. *(46). Als die Staatsanwältin 11 Monate Haft für Max A. fordert, klappt dessen Verteidiger die Kinnlade runter. Er fordert Freispruch. Dem schließt sich das Gericht an – allerdings nur, weil es Zweifel an der Unschuld des Angeklagten hegt. (*Namen geändert.)
Gabriele Hohenstein
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