
© A. Klaer
Von Erhart Hohenstein: Gedenkstätte im Halbschlaf
Sporadische Öffnungszeiten, keine Interimsausstellung, mangelhafte Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit: Die Arbeit im für 2,2 Millionen Euro sanierten ehemaligen KGB-Gefängnis steht in der Kritik
Stand:
Nauener Vorstadt - Kahle Räume, sporadische Öffnungszeiten – das für 2,2 Millionen sanierte und um einen neu gebauten Informationspavillon ergänzte ehemalige KGB-Gefängnis in der Leistikowstraße 1 steht in der Kritik. Ehemalige Häftlingsinsassen, aber auch die beiden Vereine, die die Gedenkstätte einst erst aus der Versenkung hoben, beklagen fehlende Konzepte sowie mangelnde Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit.
Die Gedenkstätte ist nach wie vor nur sonnabends und sonntags in jeweils sechs Führungen zugänglich. Außerdem können immer mittwochs Schulklassen den Bau besichtigen. Die Hochrechnung ergibt jährlich etwa 12 500 Besucher – das entspricht der Zahl, die einst die ehrenamtlichen Betreiber des noch unsanierten Baus, der Verein Memorial Deutschland e.V., und der Förderverein „Gedenk- und Begegnungsstätte ehemaliges KGB-Gefängnis Potsdam Leistikowstr.1 e.V.“ erreicht hatten.
Auffällig ist auch, dass eine bereits damals gezeigte Ausstellung nach der Sanierung fehlt. Memorial und Verein boten den Besuchern seit 2003 eine Ausstellung „Von Potsdam bis Workuta“, mit dazu passenden Zeitzeugengesprächen, Buchvorstellungen und Lesungen. Dazu gab es im ehemaligen Wachraum ein vielfältiges Angebot an Veröffentlichungen, wie auch Erinnerungsberichten von ehemaligen Häftlingen. Damit ist es seit der provisorischen Wiedereröffnung des Hauses Ende März dieses Jahres vorbei. Der Empfangsraum des Neubaus zeigt kahle Wände, auf der langen Theke kaum ein Prospekt, geschweige denn die genannten Schriften. Restbestände des Ausstellungskatalogs „Von Potsdam nach Workuta“ könne man anbieten, informiert die zur Leiterin der Gedenkstätte berufene Historikerin Ines Reich. Ausgerechnet am vorigen Wochenende, als gemeinsam mit der Schlösserstiftung Sonderführungen durch das Gefängnis und das Verbotene Städtchen veranstaltet wurden, lag er allerdings auch nicht vor.
Die Führungen zeigen kahle Räume. Ein zwischenzeitlicher Wiederaufbau der auf Häftlingsbiographien konzentrierten Memorial-Ausstellung, deren beachtliche wissenschaftliche Qualität nicht infrage steht, wurde abgelehnt. „Die leeren Räume sehen aus, als ob gleich wieder der Maurer kommt“, sagt Peter Seele sarkastisch. „Wie will man so den Besuchern vermitteln, wie es uns hier ergangen ist?“ Der 81-jährige Potsdamer ist einer der wenigen noch lebenden Häftlinge des KGB-Gefängnisses und wurde dann in das sibirische Straflager Workuta deportiert. Die Gedenkstätte, so ist seine Meinung, könne „so nicht weitermachen“ - auch vor dem Hintergrund der hohen vom Steuerzahler aufgebrachten Summe. Dieser Meinung sind auch der Förderverein und Memorial. Gegenüber dem Kuratorium der Gedenkstätte hätten sie mehrfach gefordert, deren Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit kurzfristig auszubauen und entschieden zu verbessern. Die Reaktion war bislang stets spärlich und ausweichend: In die Räume solle die Dauerausstellung einziehen, die allerdings noch in Arbeit ist, erklärte das von Ex-Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) geführte Kuratorium. Die Frage, ob damit 2010 oder 2011 zu rechnen ist, wollte Ines Reich gegenüber den PNN nicht klar beantworten. Sie wies auf die schlechte Quellenlage hin, die die Forschungsarbeit erschwert. Mit ihren drei Mitarbeiterinnen sei sie mit der Arbeit für die Dauerausstellung ausgelastet.
Vor diesem Hintergrund erscheint es umso unverständlicher, dass Hilfsangebote für Führungen und Veranstaltungen der ehrenamtlich für die Gedenkstätte tätigen Vereine nicht angenommen werden. So beklagte Gisela Kurze, dass ihr Antrag auf ein weiteres Zeitzeugengespräch im Saal des Neubaus abgelehnt wurde. Auch dieser Raum werde für die Vorbereitung der Dauerausstellung gebraucht, hieß es. Dort sind bislang allerdings lediglich einige Stapel Aktenordner und Pappkartons zu sehen.
Gegenüber den PNN erklärte Ines Reich erneut, „das Gebäude ist das Hauptexponat“. Mit Spannung darf eine Reaktion der als Nachfolgerin der CDU-Politikerin Johanna Wanka benannten neuen Landeskulturministerin Martina Münch (SPD) erwartet werden.
Erhart Hohenstein
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