Aus dem GERICHTSSAAL: Gefahr weiterer Straftaten
Gutachterin: Eingeschränkte Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit nicht ausgeschlossen
Stand:
„Im Alkoholrausch spürt der Angeklagte seine Defizite nicht mehr so sehr. Mittlerweile sieht er seine Suchterkrankung aber etwas kritischer“, führte die psychiatrische Sachverständige aus. Mit gesenktem Kopf lauschte Udo S. (53) der Expertise der Ärztin. Seit Mitte Februar muss sich der arbeitslose Schlosser wegen versuchten Mordes vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, am 19. August 2010 seine Ehefrau wiederholt mit dem Tode bedroht, sie geschlagen, ihr ein Kissen aufs Gesicht gedrückt und sie anschließend in die mit Wasser gefüllte Badewanne geworfen haben, um sie zu ertränken. Am Abend desselben Tages soll der Kahlgeschorene in einer Wohnung in der Waldstadt dreimal mit einem Küchenmesser auf einen Trinkkumpan eingestochen haben, um ihn zu töten. (PNN berichteten.)
Eingeschränkte Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit sei nicht ausgeschlossen, so die Gutachterin. Der von Alkohol und Beruhigungstabletten abhängige Angeklagte habe den Tod seiner wenige Tage zuvor verstorbenen Mutter nicht verkraftet, daher exzessiv getrunken und Medikamente geschluckt. Im Streit mit seiner Ehefrau um Geld habe er dann völlig die Kontrolle über sich verloren. Während des Prozesses entschuldigte sich Udo S. bei der inzwischen von ihm getrennt Lebenden. Er räumte ein, dass es durchaus so gewesen sein könne, wie ihm zur Last gelegt werde, berief sich aber auf Erinnerungslücken. Die Messerstiche in die Brust seines Trinkkumpans seien hingegen in Notwehr erfolgt. Schließlich habe ihn dieser zuerst angegriffen, so Udo S.
Schon in der Schule habe Udo S. – jüngstes von vier Kindern, das sich von seinem Vater, einem NVA-Offizier, nie anerkannt fühlte – unter Versagensängsten gelitten, sagte die Sachverständige. Während der Lehrzeit habe er dann begonnen, Alkohol zu trinken. Immer wieder habe er die Arbeitsstellen verloren. Der soziale Abstieg des Mannes habe begonnen. Obwohl seine Mutter die Kinder schlug, habe Udo S. einen sehr engen Kontakt zu ihr gehabt. Sie sei es auch gewesen, die die Bekanntschaft mit seiner späteren Frau eingefädelt hatte. Neben Alkohol- und Tablettensucht leide der Angeklagte an einer Zwangs- und Angstneurose. Ihn würden ganz erhebliche Selbstzweifel plagen, die Frustrationstoleranz sei eingeschränkt. Dennoch sei er in der Lage gewesen, ein sozial integriertes Leben zu führen. Allerdings plädierte die Ärztin dafür, Udo S. in den Maßregelvollzug einzuweisen, um seine Sucht therapieren zu lassen. Unbehandelt bestehe die Gefahr weiterer Straftaten. Die Verhandlung wird fortgesetzt. Hoga
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