Aus dem GERICHTSSAAL: Gefälligkeitsaussage für die Mutter?
Angeklagte: Crash angeblich nicht bemerkt / Freispruch für Erzieherin
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Aus dem GERICHTSSAALAngeklagte: Crash angeblich nicht bemerkt / Freispruch für Erzieherin Michael M.* (26) glaubte seinen Augen nicht zu trauen: Der gelernte Zimmermann saß am Nachmittag des 2. Dezember 2004 in seinem in der Kurfürstenstraße geparkten Golf und wartete auf seinen Vater. Plötzlich fuhr ein Ford Escort rückwärts aus einer Parklücke, touchierte sein Fahrzeug. Dann gab die Frau am Steuer Gas. Geistesgegenwärtig notierte sich der Potsdamer das Kennzeichen der Unfallflüchtigen, erstattete umgehend Anzeige bei der Polizei. Die Werkstatt attestierte ihm später einen Schaden von knapp 700 Euro an seinem Auto. „Die Fahrerin muss den Anstoß bemerkt haben“, ist sich der Mann im Zeugenstand sicher. „Mein Golf hat jedenfalls ganz schön gewackelt.“ Ingeborg I.* (49) auf der Anklagebank bestreitet entschieden, irgend etwas von der Kollision mitbekommen zu haben. Zudem sei sie vorwärts ausgeparkt, nicht – wie von ihrem Unfallgegner behauptet – rückwärts, so die Erzieherin. Ines I.* (18) stützt die Aussage ihrer Mutter. „Meine Mama hat mich zum Arzt begleitet. Danach sind wir nach Hause gefahren.“ Beim Ausparken sei ihr nichts Auffälliges aufgefallen, berichtet die künftige Friseuse. „Es war genug Platz. Meine Mama konnte sich ohne Probleme vorwärts in den fließenden Verkehr einfädeln.“ „Wie oft konsultieren Sie Ihren Arzt?“, fragt der Richter. Die junge Frau berichtet, den Mediziner alle zwei bis drei Wochen aufzusuchen. „Und wieso erinnern Sie sich dann so genau an den bewussten Tag?“, hakt er nach. „Na, weil ich sonst mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs bin. Es war eine Ausnahme, dass mich meine Mama mit dem Auto hingebracht hat“, begründet die Zeugin. „Die Angeklagte ist alleine in ihr Auto gestiegen“, behauptet Michael M. Von ihrer Tochter sei an dem bewussten Tag weit und breit nichts zu sehen gewesen. „Die Bekundungen des Geschädigten waren glaubhaft und widerspruchsfrei“, konstatiert die Staatsanwältin in ihrem Schlussvortrag. „Die Tochter der Angeklagten hingegen hat ein berechtigtes Interesse daran, dass ihre Mutter nicht verurteilt wird.“ Ingeborg I. solle wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 30 Euro zahlen. Der Verteidiger der Angeklagten hält dagegen, Michael M. wolle durch seine Aussage womöglich einen Schadenersatzanspruch aus einem früheren Unfall durchsetzen. „Außerdem kommen mir die Kosten für die Lackierung der Stoßstange überhöht vor“, moniert er. Das Gericht glaubt, Ines I. habe gelogen. Sie muss jetzt mit einem Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage rechnen. Der Vorsitzende kann Ingeborg I. allerdings nicht beweisen, dass sie den Anstoß wirklich bemerkt hat. Freispruch! (*Namen geändert.)Hoga
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