Aus dem GERICHTSSAAL: Gefängnis oder Bewährung für Schmierer?
Über diese Frage entscheidet das Jugendgericht in sechs Monaten
Stand:
Ende 2009 wurde Marko M.* vom Jugendgericht wegen Betruges zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Da der inzwischen 20-Jährige gegen die Auflagen verstieß, erließ die Vorsitzende einen Sicherungshaftbefehl. Seit knapp zwei Monaten sitzt der Potsdamer in der Justizvollzugsanstalt Cottbus. Zu seiner gestrigen Verhandlung wegen Sachbeschädigung wurde er in Handfesseln vorgeführt. Die Staatsanwaltschaft wirft Marko M. vor, am 29. August vorigen Jahres drei Hausfassaden der Charlottenstraße großflächig mit schwarzem Eddingstift beschmiert zu haben. Schaden: Rund 1100 Euro.
Marko M. wurde von der Polizei auf frischer Tat erwischt. Vor dem Jugendschöffengericht bekannte er, früher in der Sprayerszene aktiv gewesen zu sein. Zum Tatzeitpunkt hätte er sich bereits davon distanziert. „Aber dann hatte ich auf einmal den Stift in der Hand und habe zu krakeln begonnen. Ich war ganz schön betrunken“, erzählte er. Sein eigentliches Problem scheinen allerdings Drogen zu sein. Das Geld dafür beschaffte er sich durch Diebstähle, saß dafür mehrfach auf der Anklagebank. Immer wieder gelobte Marko M. Besserung, verfiel dann aber schnell in den alten Trott. Sobald er aus der Haft entlassen werde – so der kurzhaarige junge Mann während des gestrigen Prozesses - wolle er sich nun wirklich um Ausbildungsplatz und Fahrerlaubnis kümmern.
„Wie ist es so im Gefängnis?“, fragte der Staatsanwalt. Marko M. - inzwischen von Hartz IV lebend - erklärte: „Nicht so lustig. Man sitzt 23 Stunden am Tag in der Zelle, hat niemanden zum Reden. Außerdem sind da Leute, mit denen man lieber nichts zu tun haben möchte. Mir sind auch schon Schläge angedroht worden.“ Der Aufenthalt hinter Gittern habe ihn bereits geprägt, versicherte der Angeklagte.
Um so unverständlicher erschien der Schöffengerichtsvorsitzenden, dass sich Marko M. am 1. Mai – wenige Tage vor der Hauptverhandlung – an einer kleineren Gefängnisrevolte beteiligte. Insassen warfen brennende Gegenstände aus den Fenstern der Cottbuser Anstalt. „Ich habe nur eine Zeitung angezündet und rausgeschmissen. In dem Moment habe ich leider nicht nachgedacht“ , gab Marko M. zu.
„Sie machen immer wieder etwas Neues. Wie soll ich Ihnen da Vertrauen schenken“, rügte die Richterin. Der Staatsanwalt hieb in dieselbe Kerbe. „Ich glaube Ihren Beteuerungen nicht mehr. Schon zu oft habe ich von Ihnen gehört, dass Sie sich um eine Ausbildung bemühen wollen“, grollte er. „Da muss man Dutzende von Bewerbungen schreiben, mindestens acht Stunden des Tages dafür nutzen.“ Er plädierte dafür, Marko M. wegen Sachbeschädigung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und fünf Monaten zu verurteilen, in diese Sanktion die Entscheidung aus dem Jahr 2009 einzubeziehen. „Selbstverständlich ohne Bewährung.“
Das Jugendschöffengericht folgte dem Antrag der Verteidigung, dem Angeklagten „eine aller-allerletzte Chance“ zu geben. Es setzte die Entscheidung über Gefängnis oder Bewährung für die Dauer von sechs Monaten aus. Außerdem hob es den Haftbefehl auf. (*Name von der Redaktion geändert.) Hoga
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