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Landeshauptstadt: Gefunden: Steinzeit-Klinge und Palast-Mauer

Neue archäologische Untersuchungen auf dem Alten Markt, bevor der Platz seine historische Gestalt wiederbekommt

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Neue archäologische Untersuchungen auf dem Alten Markt, bevor der Platz seine historische Gestalt wiederbekommt Innenstadt – Dem kleinen Feuersteinteil, das Bettina Suhr in der Hand hält, würde ein Laie kaum eine Beachtung schenken. Die Archäologin aber identifiziert es als Steinzeitmesser. „Ein solches Werkzeug ist scharf wie eine Rasierklinge“, bemerkt Harald Reuße. Der Grabungsleiter der Archäologie Manufaktur GmbH ist mit zehn Leuten seit Anfang Mai wieder auf dem Alten Markt tätig. Die Feuersteinklinge ist nur eines von zahlreichen Zeugnissen der Vergangenheit, die unter dem Pflaster des Alten Marktes lagern. Bekanntlich soll bis Ende dieses Jahres die historische Platzgestalt des Abschnitts zwischen Fortunaportal und Altem Rathaus wieder hergestellt werden. Nach den Auflagen der Unteren Denkmalbehörde sind in diesem Zusammenhang archäologische Untersuchungen erforderlich. Bis auf eine Tiefe von drei Metern haben die Bagger die Grabungsstelle abgetragen, an der Michael Bernast den Sand von einer mittelalterlichen Mauer wegfegt. Neben der Mauer schabt Archäologie-Student Björn Böhme mit einem Spachtel die Sandschichten glatt. „Diese Schichtung ist wie ein Geschichtsbuch“, sagt Bernast, der als selbstständiger Denkmalpfleger am Projekt der Archäologen mitarbeitet. Die gelben, braunen und schwarzen Bänder im Erdreich bilden die Besiedelung eines Zeitraumes von tausend Jahren ab. Steinzeitwerkzeuge und Gräber weisen noch tiefer in die Geschichte. „Unsere Aufgabe ist es, alle Befunde zu dokumentieren“, sagt Reuße. Das sei besonders wichtig, wenn die Bodendenkmale durch weitere Baumaßnahmen zerstört werden. Das sei zum Beispiel an der großen Grabungsstelle nahe dem Alten Rathaus der Fall. Hier nämlich werde in drei Metern Tiefe eine neue Abwasserleitung verlegt. Die zahlreichen Neugierigen, die von den Arbeiten hinter dem Bauzaun etwas mitbekommen wollen, interessiert besonders die Herkunft der vielen frei gelegten Mauern. Ein Teil von ihnen besteht aus Findlingen und Lesesteinen, ein anderer aus gebrannten Mauerziegeln. Ein besonders dickes Mauerstück auf der Südwestseite in der Nähe des Theaters gab zunächst Rätsel auf. „Es handelt sich um Reste des Palastes Barberini“, kann Reuße jetzt die Diagnose stellen. Anhand von Stadtkarten konnte er die Mauer identifizieren. Nach dem Abriss des Theaterprovisoriums ist an der Stelle des im Krieg zerstörten Palastes Barberini ein Neubau geplant – in der Kubatur des Vorgänger-Gebäudes. Bei den mit Mörtel verfugten Feldsteinen handelt es sich zumeist um die Umfassungen von Kellern aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Die Geschichte der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung lässt sich an den Befunden gut ablesen. Zuerst gab es nur Gräben, die noch heute an den Einsenkungen der Erdschichten zu identifizieren sind. Ab dem 17. Jahrhundert waren Holzwasserleitungen modern. Um die Jahrhundertwende kommen gemauerte Abwasserschächte hinzu, von denen einer derzeit gut sichtbar ist. Etwa hundert Jahre alt ist auch das Pflaster der früheren Platzoberfläche aus grauem Granit: Regelmäßig in Reihen verlegte Steine. Sie befinden sich 95 Zentimeter unter der heutigen Oberfläche. Auf deren Niveau wird der Platz jetzt abgesenkt.Günter Schenke

Günter Schenke

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