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Aus dem GERICHTSSAAL: Gefundenen Rucksack unterschlagen Angeklagter erschien nicht zu Haftantritt

„Wissen Sie eigentlich, dass Sie von der Staatsanwaltschaft gesucht werden? Sie sind zum Haftantritt geladen worden, aber nicht erschienen“, erklärt Amtsrichterin Birgit von Bülow.

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„Wissen Sie eigentlich, dass Sie von der Staatsanwaltschaft gesucht werden? Sie sind zum Haftantritt geladen worden, aber nicht erschienen“, erklärt Amtsrichterin Birgit von Bülow. Der 47-jährige Andreas A.* auf der Anklagebank schaut erschrocken. Er ist sich keiner Schuld bewusst. „Dann haben Sie wohl auch keine Ahnung, dass Ihre Bewährung widerrufen wurde?“, fragt die Vorsitzende. „Ihnen blühen jetzt zehn Monate Gefängnis wegen Computerbetrugs.“ Diese Ankündigung muss der Arbeitslose erst einmal verdauen. „Aus meinem Briefkasten wird öfter mal Post geklaut“, erzählt er. Was ein Langfinger mit bewusstem Schreiben gewollt haben könnte, vermag er sich allerdings nicht zu erklären.

Jetzt sitzt Andreas A. wegen Unterschlagung vor Gericht – übrigens nicht zum ersten Mal. Der Brandenburger entdeckte am Morgen des 24. September 2008 einen vermeintlich herrenlosen Rucksack auf dem Babelsberger Bahnhof. Er trug ihn in eine stille Ecke und durchsuchte ihn nach brauchbaren Gegenständen. Sein Tun kam einer Polizeistreife verdächtig vor. Die Beamten stellten den Rucksack sicher, fuhren den augenscheinlich Alkoholisierten anschließend zur Blutprobe. Ergebnis: 1,69 Promille. „Am Abend vorher war ich bei einer Geburtstagsfeier“, begründet Andreas A. den beachtlichen Restalkohol-Pegel. Doch auch jetzt ist die „Fahne“ des mehrfach Vorbestraften mehr als deutlich. „Gestern war ich auch feiern“, meint er lakonisch. Dann erzählt der Mann freimütig, dass ihn der Inhalt des Rucksacks nicht interessierte. „Da war Kinderkleidung drin. Was soll ich damit?“ Objekt seiner Begierde sei der Rucksack selbst gewesen. „Diese Dinger sind ganz schön teuer. Als Hartz-IV-Empfänger kann ich mir so etwas nicht leisten“, begründet der Angeklagte sein Tun. Leider sei er zu klein für ihn gewesen. Deshalb habe er ihn auf dem Parkplatz abgestellt. Dann sei auch schon die Polizei da gewesen.

„Wer gefundene Sachen in der Absicht einsteckt, sie zu behalten, begeht eine Unterschlagung“ stellt die Richterin klar. „Darauf steht Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.“ „Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe“, räumt Andreas A. kleinlaut ein. „Aber manchmal wächst mir alles über den Kopf. Meine Lebensgefährtin ist schwer krank. Ich betreue sie quasi rund um die Uhr.“

Andreas A. erhält eine Freiheitsstrafe von drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Und er hat nach Rechtskraft des Urteils 100 Stunden gemeinnützig zu arbeiten. Dafür hat er ein Jahr Zeit. Denn jetzt muss er erst einmal ins Gefängnis. „Die zehn Monate, die Sie nun verbüßen, werden Sie richtig läutern“, glaubt die Vorsitzende. Die promovierte Richterin spricht dem Arbeitslosen ins Gewissen: Sein Leben sei noch nicht vorbei, er habe noch viele Chancen. Die Haft werde ihm helfen, in die richtige Spur zu kommen. (*Name von der Redaktion geändert.) Hoga

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