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Landeshauptstadt: Gegen den Charme von Schwedt

Potsdamer Stadtverordnete „ritten“ gestern den Haushalt 2004 durch

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Potsdamer Stadtverordnete „ritten“ gestern den Haushalt 2004 durch Von Detlef Gottschling Potsdam plant für das laufende Haushaltsjahr das höchste strukturelle Defizit seit 1990/91. Daran erinnerte Stadtkämmerer Burkhard Exner und startete damit einen mehrstündigen Debatten- und Abstimmungsmarathon in der gestrigen Sitzung der Stadtverordneten. Genau so anschaulich wie Exner versuchte, die Gründe für die fehlenden 29,82 Millionen Euro anzuführen – nämlich vor allem in der Landes- und Bundespolitik – so nachdrücklich stritten die einzelnen Redner für ihre Standpunkte. Trotzdem war zu spüren, dass man danach trachtete, den Haushalt nun endlich zu beschließen und dabei das Konsolidierungsziel im Jahr 2010 nicht aus den Augen zu verlieren. Näher kommen will man diesem auch mit Hilfe der zusätzlichen 14 Millionen Euro ab dem kommenden Jahr über das Finanzausgleichsgesetz. Doch, so Exner, würde dieses Geld von den Mehrbelastungen durch „Hartz IV“ wahrscheinlich aufgefressen. Hans-Jürgen Scharfenberg von der PDS haute prompt in die selbe Kerbe: Die Bundespolitik habe kläglich versagt, die Kommunen würden zusätzlich belastet, doch insgesamt 550 Millionen Euro weniger gebe man ihnen dafür. Der Potsdamer Haushalt bestehe nur aus „Kürzungen und Deckelungen“. SPD und CDU seien nun – in ihrer neuen Koalition zusammen mit BürgerBündnis und Bündnis 90/Die Grünen – den von der PDS viel früher klar formulierten Zielen gefolgt. Jedoch: Die Potsdamer Mitte müsse sich einordnen in die Vorhaben. Und Oberbürgermeister Jann Jakobs musste sich den Vorwurf gefallen lassen, dass – nach zunächst geführten Gesprächen am 6. April – nun durch das neue Bündnis ohne die PDS das Vertrauen zerstört sei. Die schmerzlichen Abstriche im Haushaltsplan der Stadt seien Maßnahmen gegen den finanziellen Kollaps. Das hielt Andreas Mühlberg von der SPD den Einschätzungen von Scharfenberg entgegen und landete ebenfalls wieder beim Land: „Brandenburg kürzt die Zuweisungen, und wir müssen streichen und den Leuten dabei in die Augen sehen.“ Doch, so Mühlberg, geschehe dies auch nur wegen des Mangels an Steuereinnahmen. So könne man den Schwarzen Peter zwar weiter nach „oben“ schieben, doch den Schuldigen werde man nicht finden. „Nur das Sparen hilft.“ Denn es bleibe schon spannend, ob der Haushalt dann auch tatsächlich vom Innenministerium genehmigt wird. Im Übrigen, so der SPD-Fraktionschef Mühlberg, habe man keine Koalition gebildet sondern lediglich ein Zweckbündnis, um zu verhindern, dass Potsdam bald den „Charme von Schwedt oder Eisenhüttenstadt“ habe. Dabei helfe der Glaube an die Allmacht von oben wenig, richtete Götz-Thorsten Friederich von der CDU das Wort in Richtung PDS. Wäre Potsdam ein Unternehmen, sei der Gang zum Liquidator längst an der Tagesordnung, denn die Verschuldung sei nicht mehr absehbar. Man stehe mit dem Rücken an der Wand – jegliches Agieren sei unmöglich geworden. Um dies zu stoppen habe man zu Viert die „bürgerliche Mitte“ – von der später Monika Keilholz (SPD) und auch Ute Platzeck (BürgerBündnis) nichts hören wollten – gebildet. Und genau vier Hauptziele habe man sich auf die Fahne geschrieben: Unterstützung der Träger der Hochkultur als Aushängeschilder der Stadt auch im Zusammenhang mit der Kulturhauptstadtbewerbung, das Bekenntnis zu den Sportvereinen durch moderatere Beiträge für die Sportstätten, die Sanierung von Kindertagesstätten und Schulen sowie eine Stadtmitte mit Wohn- und Lebensqualität. „Schlaatz und Schloss!“, so Friederich. Unruhig wurde es, als Peter Schüler (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, dass sich die PDS im Vorfeld nicht kompromissbereit genug gezeigt habe und seine Fraktion deshalb „in das Bündnis mit CDU und SPD getrieben“ habe. Denn nicht alles, was man sich eigentlich gewünscht habe, bekomme man nun – doch: Man könne eben nicht alles haben. Mehr noch, es werde schlimmer werden, schmerzhafte Einschnitte werde es in den nächsten Jahren geben. Ute Platzeck vom BürgerBündnis warf mit diesen Worten der Potsdamer SPD jahrelanges Leben über die Verhältnisse nach dem „Muster Stolpe und Hildebrandt“ vor. Anstatt zu investieren habe man nur konsumiert. Für die Wiederherstellung der Potsdamer Mitte sprach sie sich aus. So nicht Maren Poeschke, Die Andere: Man werde nicht mit der „Stadtschloss-Stadtkanal-Garnisonkirche-Koalition“ stimmen – statt dessen beanstandete sie Verstöße gegen geltende Beschlüsse. Eines versprach Kämmerer Exner gestern schon: Die Singakademie mit ihren fünf Chören soll irgendwie erhalten werden. Auch abseits des Haushalts

Detlef Gottschling

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