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Landeshauptstadt: Gegen die Schieflage

Bei einem Benefiz-Fest am Luftschiffhafen stiegen am Sonntag Top-Atlethen und Nachwuchskräfte in die Havel, um dem Potsdamer Schwimmverein zu helfen

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Ganz so kalt wie erwartet war das Wasser dann doch nicht. „Eigentlich war es sogar recht warm. Auf jeden Fall wärmer als hier draußen“, sagte Jörg Hoffmann. Beim Sommerfest des Potsdamer Schwimmvereins am gestrigen Sonntag musste er nicht nur in die kalten Fluten der Havel springen, sondern der ehemalige Weltrekordhalter über 1500 Meter musste sich auch auf einer für ihn äußerst ungewohnten 50-Meter-Strecke beweisen. Und das, obwohl der leitende Trainer des Schwimmstützpunkts am Potsdamer Luftschiffhafen selbst nur noch selten im Wasser seine Bahnen zieht. „Aber man verlernt das ja auch nicht“, meinte der Weltmeister von 1991 über 400 Meter und 1500 Meter Freistil.

Für die vielen Nachwuchssportler, die im Rahmen der Benefizstaffel des Potsdamer SV mit den „Großen“ ins Wasser gehen durften, liegen solche Erfolge noch in weiter Ferne. In gemischten Dreierstaffeln aus einem der Topschwimmer des PSV und zwei Jungsportlern konnte der Schwimmnachwuchs den Vorbildern aus dem eigenen Verein schon einmal ganz nah sein. „Aber man kennt die ja auch“, sagte Emma Sophie Rauch, die mit Rückenspezialist Felix Wolf und Maria Brunlehner gemeinsam um einen Platz auf dem Treppchen schwamm. Für die Zehnjährige, die seit drei Jahren für den erfolgreichsten brandenburgischen Schwimmverein ins Wasser springt, ist es deswegen auch keine allzu große Sache, gemeinsam mit Athleten am Start zu stehen, die schon in internationalen Gewässern Erfahrungen und Erfolge sammeln konnten.

Eine große Sache für den Potsdamer Schwimmverein war das Benefizfest aber schon. Aus der Not heraus wurde die Idee geboren, die finanzielle Schieflage des Vereins mit einer Spendenaktion wieder ein wenig mehr ins Gleichgewicht zu bringen. Aufgrund der sechsmonatigen Schließung der Schwimmhalle im Luftschiffhafen – wegen Einsturzgefahr musste sie saniert werden – haben rund 300 Mitglieder den Verein verlassen, was finanzielle Einbußen von rund 40 000 Euro ausmacht. Eine katastrophale Lage, die vor allem den Sportlernachwuchs viel gekostet hat. „Vor allem die Finanzierung von Trainingslagern und Startgeldern war nur schwer möglich“, sagte Michael Prenz, Vorstandschef des Potsdamer SV. Beim Benefizrennen konnten Sponsoren mit einer Spendenhöhe von 100 bis 250 Euro eine der zwölf antretenden Staffeln unterstützen. Alle Einnahmen des Tages gingen an den Nachwuchsbereich des noch immer größten Schwimmvereins im Land Brandenburg.

„Die jungen Sportler hat die Hallenschließung härter getroffen als uns. Für unsere Trainingsgruppe hieß das zwar mehr Aufwand an Fahrzeiten zu den Trainingsstätten, aber unsere Trainingszeiten waren gesichert. Andere aber konnten nur noch einmal am Tag im Wasser trainieren“, sagte Felix Wolf. Die Probleme, die die Nachwuchsschwimmer in den letzten Monaten bewältigen mussten, seien daher drastischer. Der 24-Jährige ist ein Eigengewächs des Potsdamer Schwimmvereins. Seit 1996 schwimmt er hier und hat alle seine größten Erfolge für die Potsdamer geholt. Deswegen beobachtet der viermalige Deutsche Meister die Entwicklung seines Heimatvereins auch ganz genau. „Es hat sich schon einiges in den letzten Jahren getan“, sagte der Deutsche Rekordhalter über 200 Meter Rücken auf der 25-Meter-Bahn. Doch gerade auf eine gute finanzielle Grundlage komme es bei den vielen Kosten, die in einem Wettkampfjahr anfallen, immer wieder an. „So eine Benefizaktion ist gerade deswegen eine schöne Sache“, meinte Wolf, der zurzeit eine Ausbildung zum Kommissar bei der Landespolizei absolviert. Und selbst für ihn, der normalerweise immer ins Wasser springt, um zu gewinnen, komme es ausnahmsweise einmal nicht auf den Sieg an, plauderte Wolf: „Heute zählt der Spaß und es geht darum, die Jugend anzutreiben.“ Passenderweise gewannen mit dem „Teufelsteam“ auch drei Nachwuchskräfte das Schwimmen.

Im ganzen Trubel auf dem Gelände des Luftschiffhafens zwischen Kanuscheune und Havel fiel das Fehlen von Doppelolympiasiegerin Britta Steffen und Weltrekordhalter Paul Biedermann gar nicht auf. Steffen, die im September 2013 ihre Karriere beendet hatte, war als Stargast des Benefizrennens geladen, musste allerdings wegen einer schweren Angina ihre Teilnahme absagen. Doch es bedurfte auch keiner großen Stars, denn im Mittelpunkt des Geschehens standen die Nachwuchssportler und ihre vereinseigenen Vorbilder. Und obwohl man der Misere um die temporäre Hallenschließung nur schwer etwas Gutes abgewinnen kann, hat das Fest des Schwimmvereins doch eines gezeigt: Der Verein ist näher zusammen gerückt. Dafür und für die Förderung des Nachwuchses gehe Trainer Jörg Hoffmann dann auch gern ins Wasser.

Chantal Willers

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