
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Geheim-Depeschen quer durch Preußen
Erstmals öffentliche Vorführung der Telegrafenstation Nr. 4 / Eine Depesche brauchte gut sieben Minuten
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Albert Schwarz erklärt am optischen Telegrafen im Wissenschaftspark Albert Einstein, wie im Jahre 1832 Zahlen telegrafiert wurden. „Das ist die Eins“, sagt er, als der Hebel ins erste Loch schnappt und der Telegrafenarm schräg nach oben zeigt. Bei „Drei“ beträgt dessen Winkelstellung 135 Grad. „Mehr geht nicht“, sagt Schwarz und wechselt auf die andere Seite des Mastes, um den anderen Arm auf die Vier zu stellen. Ein kompliziertes System. Damit betrieb das preußische Militär vor Erfindung der elektromagnetischen Übertragung eine optische Telegrafenlinie von Koblenz nach Berlin. In der Rheinprovinz befand sich nach dem Wiener Kongress der Sitz der westlichen Militärverwaltung des Königreichs Preußen.
Eine Minute habe die Rekord-Übertragungszeit einer Nachricht über die 588- Kilometer-Entfernung betragen, im Schnitt brauchte eine Depesche sieben einhalb Minuten. Ein Bote ritt drei bis vier Tage von Koblenz nach Berlin. Albert Schwarz ist Vorsitzender der „Interessengemeinschaft Optische Telegrafie in Preußen“. Diese hatte nach dreijähriger Vorarbeit den optischen Telegrafen der Station Nr. 4 im vergangenen Jahr originalgetreu wieder im Zentrum des Telegrafenbergs aufgebaut. Gestern fand erstmals eine öffentliche Vorführung statt. Die nächst gelegene Station in Richtung Koblenz stand in Glindow. Der dortige Gewerbeverein will sie wieder aufbauen. In Richtung Berlin befanden sich die nächsten Telegrafen-Flügel auf dem Schäferberg.
„Die Nutzung war rein militärisch“, erklärt Schwarz. Bei den Nachrichten handelte es sich um verschlüsselte Geheimdepeschen. Jeweils zwei Telegrafisten bedienten eine Station. Der eine beobachtete mittels Fernglas den Sender und diktierte dem Kollegen die Signalstellung. Was die Signale bedeuteten, wussten beide nicht. Das Telegrafisten-Corps habe aus 170 Mann bestanden, vor allem versorgungsberechtigte Unteroffiziere gehörten dazu. Aus alten Akten seien bisher 250 Namen von Männern bekannt, die auf den Stationen Dienst getan haben, erzählt Schwarz. Rund 15 Jahre war die optische Telegrafenlinie in Betrieb. Ab 1848 wurde der Abschnitt von Potsdam nach Berlin elektromagnetisch betrieben. Danach erwirbt ein Tischlermeister auf einer Versteigerung die aus Holz bestehende Station für 81 Taler. Das Material verwendete er für einen Hausbau in Nowawes. Von einer der letzten optisch überlieferten Depeschen berichtet Hans-Jürgen Paech von der Interessengemeinschaft. Die Nachricht aus Berlin im März 1848 habe gelautet: „In der Residenz alles ruhig“. Zwei Tage danach sei die Revolution ausgebrochen.
Der Signalmast aus Kiefernholz auf dem Telegrafenberg ist 6,30 Meter hoch, seine sechs Flügel jeweils 1,74 Meter lang und 33 Zentimeter breit. Die paarweise auf drei Ebenen angeordneten Flügel ermöglichen je Ebene 15 Stellungen. Unter dem Titel „Offener Telegraph Nr. 4“ bietet die Interessengemeinschaft weitere Informationsveranstaltungen an. G. Schenke
www.optischertelegraph4.de
G. Schenke
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