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Landeshauptstadt: Geheimnisse eines Sekretärs

Ungewöhnliches Möbelstück nach Restaurierung im Marmorpalais aufgestellt

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Ungewöhnliches Möbelstück nach Restaurierung im Marmorpalais aufgestellt Von Erhart Hohenstein Auf Knopfdruck springen Schubladen vor, öffnen sich Geheimfächer. Der Spiegel im Mittelteil des Aufsatzes dreht sich und gibt den Blick frei in einen säulengetragenen Pavillon. Früher stand darin eine rotierende Quarzsäule, die einen Wasserfall imitierte. Dazu erklangen aus einem versteckten walzengetriebenen Spielwerk Flötentöne. Die beiden seitlichen Drehkästen beginnen sich zu bewegen und zeigen Spiegel, eine Mahagoniwand, die Musik und die Malerei symbolisierende Gemälde und schließlich wieder Schübe, die sich ebenfalls nur durch Knopfdruck öffnen lassen – aber die versteckten Knöpfe muss man erst einmal finden! Wasser und Musik gehören zwar nicht mehr zum Repertoire des Prunksekretärs, der nach Restaurierung gestern im Landschaftszimmer des Marmorpalais vorgestellt wurde, aber dennoch erscheint er dem Laien als ein Wunderwerk der Berliner Möbelbaukunst am Ausgang des 18. Jahrhunderts. Otto Ferdinand Berger, der 1791 seinen Meisterbrief erhielt, hat ihn gebaut und 1800 auf der Berliner Akademieausstellung vorgestellt. Vielleicht war es sein Meisterstück. Dort stach das Möbel König Friedrich Wilhelm III. ins Auge, der es zu einem Preis von 430 Talern für das Berliner Stadtschloss ankaufen ließ. Silke Broschke kennt den Sekretär ganz genau, denn sie hat ihn zum Thema ihrer Abschlussarbeit an der Heidelberger Fachhochschule gewählt. Auf der Grundlage dieser Forschungen erhielt der Aufsatzsekretär durch ihrem Bruder Ralph Broschke, der die gleichnamige Potsdamer Holzsrestaurierungswerkstatt leitet, alten Glanz zurück Seniorchef Klaus Broschke setze die Mechanik instand, und da das Möbelstück mit Marmorsäulen, feuervergoldeten Bronzebeschlägen, Gemälden und Spiegeln geschmückt ist, wurden auch die betreffenden Spezialwerkstätten der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten einbezogen. Von deren Seite übernahm die Holzrestaurierungswerkstatt unter Thomas Kühn die Gesamtbetreuung des Sekretärs, für den als Massivholz Kiefer, Eiche, Zeder, Buchsbaum, Linde, Pflaume und für die Furniere Pyramidenmahagoni, Birken, Erlen und Riegelahorn verarbeitet wurden. Im Originalzustand befand sich die Aufsatzkommode, wie sie auch bezeichnet wird, längst nicht mehr, als Silke Broschke 1998 ihre Recherchen begann. 1881 war das Stück für die Möblierung der für Prinz Wilhelm (den späteren Kaiser Wilhelm II.) eingerichteten Wohnung verwendet worden. In diesem Zusammenhang wurde es aufgearbeitet und in seinem Innenleben und einigen äußeren Details vereinfacht. Bei der Untersuchung entdeckte Silke eine Handwerkermütze mit einem Zettel, auf den die beiden beteiligten Tischler ihre Namen und das Datum 24. Juni 1881 geschrieben hatten. 1930 befand sich der Sekretär im Hohenzollernmuseum in Berlin, wo auch für die jetzige Restaurierung sehr wichtige Messbilder von ihm aufgenommen wurden, und trat 1945 als „Kriegsbeute“ den Weg in die Sowjetunion an. Glücklicherweise gehörte er zu den Kunstgütern, die 1958 an die DDR zurück gegeben wurden. Seitdem wartete er im Depot auf eine Chance, das Publikum zu erfreuen. Die hat er nun im Marmorpalais bekommen, das im Winterhalbjahr an den Wochenenden und an Feiertagen von 10 bis 16 Uhr geöffnet ist. Wo der Prunksekretär seinen endgültigen Platz erhält, ist noch nicht entschieden, da nach Fertigstellung des Nordflügels – in dessen Roter Kammer er früher stand - eine neue Gesamtkonzeption für das Schlossmuseum umgesetzt wird. Dann soll es hier in einem Vorführraum auch die Möglichkeit geben, ein von den Broschkes gedrehtes Video über die Geheimnisse des Möbelstücks und seine Restaurierung anzusehen.

Erhart Hohenstein

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