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Thomas Wolter (48) bestritt von 1984 bis 1998 für Werder Bremen 312 Erstliga-Spiele und ist seit 2002 Chef-Nachwuchstrainer des SV Werder.

© imago/Picture Point

Sport: „Gehen diesen schweren Weg bewusst“

„Ich glaube, keine Mannschaft in Deutschland ist im Herrenbereich jünger als unsere.“ „Es ist aller Ehren wert, was der SV Babelsberg 03 da macht.“ Trainer Thomas Wolter kommt nach überstandenen Herzproblemen mit Werder Bremen II nach Babelsberg

Stand:

Herr Wolter, wie geht es Ihnen nach Ihren Herzproblemen, die Sie zu einer mehrwöchigen Pause vom Trainerjob bei Werder Bremen II zwangen?

Ich bin wieder soweit auf dem Damm, dass ich seit Anfang der Woche wieder ganz normal im Alltagsgeschäft bin. Ich bin weiter unter ärztlicher Beobachtung, aber ich habe keine Nachwirkungen mehr.

Hat Ihre Drittliga-Mannschaft mit den beiden Unentschieden in den Kellerduellen gegen Rot-Weiß Oberhausen und den FC Carl Zeiss Jena zu Ihrer Genesung beigetragen?

Ach, ich sehe das unabhängig voneinander. Natürlich habe ich mitgefiebert, aber mir wäre lieber gewesen, wenn wir in Oberhausen und zu Hause gegen Jena sechs Punkte geholt hätten, was nach Schilderung meines Co-Trainers auch möglich gewesen wäre. Jetzt müssen wir mit zwei Punkten leben und mit insgesamt sieben aus zwölf Spielen.

Mit denen steht Werder Bremen II auf dem vorletzten Tabellenplatz. Damit können Sie nicht zufrieden sein.

Nein, überhaupt nicht. Wir wussten von vornherein, dass wir vor einer schwierigen Saison stehen und dass wir bis zum Schluss gegen den Abstieg kämpfen müssen. Wir gehen diesen schweren Weg ganz bewusst mit unserer sehr, sehr jungen Mannschaft. Ich glaube, keine Mannschaft in Deutschland ist im Herrenbereich jünger als unsere. Wir hatten beispielsweise in Oberhausen eine Elf mit einem Altersdurchschnitt von 19,4 Jahren im Spiel, und gegen Jena standen zum Schluss vier A-Jugend-Spieler auf dem Platz, die 1993 geboren wurden. Da können bestimmte Sachen oft noch nicht so funktionieren, wie wir uns das vorstellen. Trotzdem hatten wir gehofft, dass wir bis zum jetzigen Zeitpunkt schon mehr Punkte haben.

Eigentlich spielt Bremen nur noch in der dritten Liga, weil sich TuS Koblenz nach der vergangenen Saison aus finanziellen Gründen aus dieser Spielklasse zurückzog, in der Werder II nun – wie schon Ende des vergangenen Spieljahres – im Tabellenkeller steht. Wäre Ihre Mannschaft nicht in der Regionalliga besser aufgehoben, um Ihren jungen Spieler mehr Erfolgserlebnisse zu ermöglichen?

Auch in der Regionalliga gewinnt man nicht jedes Spiel. Das sieht man ja gegenwärtig in der Regionalliga Süd, wo sich Bayern München II als Absteiger sehr schwer tut. Und für uns als Ausbildungsmannschaft ist es vor allem wichtig, auf so hohem Niveau wie möglich zu spielen, denn der Abstand zwischen Regionalliga und Bundesliga wäre noch größer. Wir wollen unsere jungen Burschen so gut wie möglich auf das Profileben vorbereiten – und dazu gehören auch Niederlagen. Natürlich wären weniger Niederlagen besser, aber ich bin optimistisch, dass wir mit diesem Kader, der auch sehr willig ist, demnächst bessere Ergebnisse einfahren werden.

Im Sommer gab es bei Werder Bremen II einen kräftigen Personalwechsel – 18 Spieler gingen, 18 neue Talente wurden geholt. War das dem Niveau Ihrer Mannschaft zu- oder abträglich?

Diese Frage stellt sich uns nicht. Ein solcher Umbruch ist gerade in einer zweiten Mannschaft nicht ungewöhnlich, sondern eher normal. Es kommen A-Jugend- Spieler nach, die von uns gefördert werden, während andere gehen, nachdem sie nicht den ganz großen Sprung zu den Profis geschafft haben. Sicher ist es einfacher, wenn ich eine Mannschaft habe, die ich immer wieder punktuell verstärken kann. Und normalerweise sind in einer Mannschaft auch mehr ältere Spieler. Diese Mischung haben wir nicht.

Ihre beiden neuen Stürmer Niklas Hörber vom 1. FC Nürnberg und Max Wegner aus Wilhelmshaven haben bisher noch nicht getroffen. Überrascht Sie das?

Nein. Wir wussten, dass diese Jungs ihre Zeit brauchen. Sie hatten auch ein bisschen Pech, dass beispielsweise Sandro Wagner aus dem Profikader oft bei uns eingesetzt werden musste, so dass ihre Plätze auch mal vergeben waren und sie nicht spielten, wenn sie vielleicht gerade gut drauf gewesen wären. Darüber hinaus haben wir mit Niclas Füllkrug einen vielversprechenden jungen A-Jugend- Stürmer, der auch schon teilweise gespielt hat. Wir probieren vieles aus.

Werden Sie auch am Samstag einiges ausprobieren, wenn Ihr Team beim SV Babelsberg 03 spielt? In der vergangenen Saison verlor Bremen II am Babelsberger Park mit 0:2.

An das Spiel im vergangenen Jahr in Babelsberg erinnere ich mich ungern, davor hatte ich mit Babelsberg immer gute Erfahrungen gemacht. Wir werden uns natürlich für Samstag etwas einfallen lassen, weil wir auf eine Mannschaft treffen werden, die den großen Vorteil hat, dass sie in der ganzen Liga unterschätzt wird, aus welchen Gründen auch immer. Babelsberg hat bisher eine Super-Saison gespielt und schon wieder 14 Punkte. Es ist aller Ehren wert, was der SV Babelsberg 03 da macht. Wir wissen also, dass wir gut vorbereitet sein müssen. Mein Co-Trainer hat die Babelsberger zuletzt in Jena und auch davor zu Hause gesehen.

Sie haben den Vorteil, dass immer wieder Spieler des Bremer Bundesliga-Teams Ihre Mannschaft verstärken. Wird das auch am Samstag so sein?

Das ist immer möglich. Neben Sandro Wagner waren auch andere Spieler des Bundesliga-Kaders schon mehrmals dabei. Dazu sind wir eine zweite Mannschaft.

Torwart Christian Vander beispielsweise, der zur ersten Mannschaft gehört, hat die meisten Spiele bei Ihnen im Tor gestanden. Trotzdem hat Werder II mit 20 Toren nach Jena die meisten Gegentreffer kassiert. Warum?

Zum einen mussten wir immer wieder umstellen, die Viererkette in den ersten acht Spielen gleich siebenmal, auch durch Verletzungen und Abstellung von Spielern zu den Profis. Und wir haben die jüngste Defensivreihe. Wir haben halt eine brutal junge Mannschaft. Gerade in der Abwehr zählen auch die Erfahrungswerte, und die Jungs sind gerade dabei, diese Erfahrungen zu machen – positive wie negative. Wir sind froh, dass Christian Vander bei uns spielt, der schon Erfahrung mitbringt und seinen Vorderleuten beratend zur Seite steht.

Was rechnen Sie sich unter diesen Vorzeichen am Samstag in Babelsberg aus?

Egal, wo wir hinkommen – wir können uns überall positiv darstellen. Gerade auswärts haben wir immer sehr gut gespielt, besser als zu Hause. Wir haben zwar nur einmal gewonnen – in Unterhaching –, aber alle Spiele, die wir verloren, waren immer sehr knapp. Das wollen wir am Samstag in Babelsberg fortsetzen und wir wollen uns mit einem Punktgewinn belohnen. Am liebsten sogar mit drei Punkten, denn die helfen uns in unserer momentanen Lage mehr.

Sind alle ihre Spieler für den Samstag einsatzfähig?

Nein, wir haben einige Ausfälle. Zu den Langzeitverletzten kommt jetzt auch noch Kevin Krisch, der sich das Kreuzband gerissen hat. Positiv ist, dass Leon Henze wieder zum Kader gehört, der uns zuletzt gegen Jena gefehlt hat.

Und Sie selbst sind soweit wieder hergestellt, um am Samstag den Stress eines Trainers an der Seitenlinie zu verkraften?

Ja, und man sollte diese Geschichte nicht zu hoch hängen. Die Sache ist nicht lebensbedrohlich, man muss sie nur im Auge behalten. Ich kann meinen Job ganz normal ausüben und möchte auch gar nicht mich, sondern meine Mannschaft im Fokus wissen.

Das Interview führte Michael Meyer.

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