
© Andreas Klaer
Von Charlotte Witte: Gehenkt und doch davongekommen
Das sechste Ritterfest im Volkspark zog nicht nur junge Besucher in seinen Bann
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Bornstedter Feld - Fast schon schwül ist es an diesem Samstagnachmittag. Auf dem Marktplatz erhebt sich drohend ein schwarzer Galgen. Die Schaukampfgruppe Famra ist gerade wieder dabei, einen ihrer Kumpanen aufzuhängen. Unter den begeisterten Zuschauern hält eine Frau schockiert ihr Kind zurück. „Komm weg da!“, flüstert sie mit einem Blick auf den Galgen. Lautstark feuert die Menschentraube um sie herum ungeduldig den Henker an. Der Hebel wird gezogen, die Klappe öffnet sich – dem Mann ist nicht mehr zu helfen.
Zumindest wäre es im Mittelalter so gewesen. Hier beim sechsten Potsdamer Ritterfest im Volkspark rettet ihn ein simpler Trick: ein Gurt, der um seinen Oberkörper geschlungen hinter seinem Kopf am Seil des Galgens befestigt ist. „Zur sechsten Stunde sieht man das Gleiche nochmal!“, verspricht einer der Söldner, während ihm der Schweiß in die Augen läuft. Kein Wunder, so eine Rüstung wiegt gut 20 bis 40 Kilogramm, erzählt Major Mort, alias Jörg Walter. Er ist einer der Begründer von Famra und seit 2003 beim Ritterfest mit dabei. „Was wir hier tun, tut wirklich weh!“, meint er. Manchmal könne er gar nicht unterscheiden, welche seiner Wunden geschminkt und welche echt seien. Trotz allem fände er die Schaukämpfe wegen der humorvollen Aufmachung familienfreundlich. Da wird er unterbrochen. „Mort, wir haben einen Neuzugang!“, erklingt es belustigt hinter ihm. Gemeint ist ein Zuschauer, der nun selbst zum Zuge kommen darf. Mit funkelnden Augen schwingt er das Schwert wild über seinen Kopf, ganz im Bann des Ritterfestes.
Wie im letzten Jahr pilgerten an drei Tagen rund 10 000 Besucher zu dem Spektakel. So auch Helfried zu Dona. Er belässt es bei seinem Künstlernamen und rückt sich mit beringten Händen den grünen Samthut zurecht. Gemeinsam mit seiner Frau besucht er seit 1990 regelmäßig Ritterfeste. „Einfach mal alles von draußen vergessen!“, erklären beide. Das fällt hier tatsächlich nicht schwer. Der beißende Rauch, die Trommeln und das Grölen der Ritter schaffen eine authentische Atmosphäre. Familien sitzen kostümiert unter ihren Zeltdächern und lauschen der Musik von Cocolorus Diaboli. Allen voran Festorganisator Dietmar Frick. Ritter faszinierten ihn schon als Kind, erklärt er. Begeistert ist auch der vierjährige Julian. Er findet schlichtweg alles toll. Mit zu großem Helm, Holzschwert und Schild ausgerüstet, bestaunt er selbstvergessen die Handwerkerstände. Doch nicht alle seiner Altersgenossen stecken die brachialen Methoden des Mittelalters so gut weg. Beim Schaukampf der Berliner Rittergilde gibt es mehr als einmal Tränen. „Dabei machen wir doch nur Spaß“, sagt Frick. Aus diesem Spaß entstand ein Spektakel mit über 200 Akteuren. Auf seine Truppe ist Frick sehr stolz. „Das“, ruft er laut, „ist unsere Show!“
Charlotte Witte
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