POSITION: Geht es friedlich in die Katastrophe?
Potsdam muss im Klimaschutz endlich aktiv werden
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Klimaschutz: Handelt Potsdam oder geht es friedlich in die Katastrophe? In Potsdams Stadtpolitik bewegen die Feinstaubbelastung, mögliche Tempolimits oder gar Umgehungsstraßenpläne die Gemüter. Das komplexe und ebenso drängende Thema des Klimaschutzes ist in den Hintergrund geraten.
Die Existenz des Problems ist allgemein anerkannt. Die gestiegene Zahl an Extremwetterkatastrophen macht das menschengemachte Ereignis auch in Potsdam spürbar. In dieser Woche findet die städtische Konferenz „Klima schützen – Partnerschaftlich handeln“ mit Vertretern der Partnerstädte statt. Man fragt sich: Was passiert an konkreten Klimaschutzmaßnahmen in Potsdam?
Im August 2008 hatte die Stadtverordnetenversammlung die Erstellung eines integrierten Klimaschutzkonzeptes beschlossen, welches mittels Bundesförderung unter der Federführung des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) realisiert wurde. Im Mai 2011 segneten die Stadtverordneten ein Maßnahmenpaket ab. Doch erste Umsetzungsschritte lassen auf sich warten. Sie sind bisher entweder finanziell noch nicht untersetzt oder werden überwiegend in städtischen Gesellschaften entschieden, wo nur wenige Stadtverordnete Einfluss ausüben können. Der Löwenanteil zum Potsdamer Klimaschutz muss von zwei städtischen Gesellschaften geleistet werden: Der zu 65 Prozent in städtischer Hand befindlichen Energie und Wasser Potsdam (EWP) und dem städtischen Eigenbetrieb Kommunaler Immobilienservice (KIS), der die städtischen Gebäude und Liegenschaften verwaltet. Doch dort passiert wenig, von dem man hört. Vielleicht auch weil deren politische Steuerungsgremien der KIS-Werksausschuss und der EWP-Aufsichtsrat nicht öffentlich tagen. Bei der EWP lässt man sich auch beim Klimaschutz ungern in die Karten gucken. Der aktuelle Entwurf des EWP-Energiekonzepts wird hinter verschlossenen Aufsichtsratstüren diskutiert. Es bleibt unklar, ob die Stadtverordneten noch damit befasst werden sollen, bevor alles „in Sack und Tüten ist“. Dabei dürften die Fragen, ab wann und inwiefern der städtische Energieerzeuger seine starke Ausrichtung auf den fossilen Brennstoff Gas durch erneuerbare Energien ergänzen will, nicht im stillen Kämmerlein entschieden werden. Verbindliche städtische Richtlinien für die energetische Sanierung von öffentlichen Gebäuden durch den KIS über normale Standards hinaus gibt es bisher nicht. Energetische Sanierung der städtischen Gebäudehüllen nach den gesetzlichen Standards findet oft noch gar nicht statt. Dabei wäre ein Fokus auf künftige Betriebskosten bei der Sanierung auch im Sinne des wirtschaftlichen Umgangs mit Steuergeldern. Was hätte die Stadt davon, wenn zwar bald alle Schulen und Kitas saniert sind, aber die Betriebskosten explodieren, weil nicht genug in Energieeinsparung investiert wurde? Wichtig wären etwa ein Richtwert für den Wärmeverbrauch und den Stromverbrauch pro Quadratmeter beheizter Gebäudefläche oder auch Soll-Ist-Vergleiche der Energieverbräuche, die quartalsweise zur Verfügung stünden. Würden diese Daten den Verwaltungsbereichen zur Verfügung gestellt, könnte auf die Kostenentwicklung Einfluss genommen werden. Die Frage, ob bisher überhaupt ein Energiekostenmanagement bei Potsdams Liegenschaften stattfindet, wird vom KIS bisher nicht beantwortet. Warum ist es in Potsdam außerdem nicht möglich, Einnahmen aus der Leitungsnetzvergabe an Energieversorger (sogenannte Konzessionsverträge) für städtische Energiesparprojekte einzusetzen? Vom 26. bis 28. Juni 2009 fand der Workshop „Zukunftsszenarien Potsdam 2020: Standortfaktoren und Energieversorgung“ vom Energieforum Potsdam e.V. statt. Dabei wurden mit zahlreichen kommunalen Akteuren drei Szenarien für den Potsdamer Klimaschutz herausgearbeitet: 1. Chancen – „Potsdam auf neuem Kurs“: Der bewusste Bürger wird aktiv. Ökonomischer Zwang zwingt zum Handeln. Investitionen in regenerative Energien und Effizienz finden statt. Eine pragmatische, konstruktive Verwaltungsstruktur unterstützt dies. 2. Risiken – „Nach uns die Sintflut“: Billige Energie verhindert Innovation und fördert Passivität. 3. Status Quo – „Neue Musik auf der Titanic“: Viel Reden, kein Handeln. Politik der kleinen Schritte.
Wenn in Potsdam aber nicht bald vom Reden zum Handeln übergegangen wird, steuern wir friedlich in die Klima-Katastrophe.
Beide Autoren sind Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen und gehören dem Potsdamer Klimarat an, der den Oberbürgermeister in Fragen des Klimaschutzes berät.
Andreas Walter, Nils Naber
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