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Aus dem GERICHTSSAAL: Geldbörse gefunden ...

... und behalten / Schuld der Angeklagten gering

Stand:

„Die Frau war mörderisch aufgeregt. Sie dachte wahrscheinlich, ich sperre sie gleich ein“ schildert ein Kriminalist die Vernehmungssituation vor Gericht. Schließlich sei es ihm gelungen, die der Fundunterschlagung Verdächtigte zu beruhigen. „Sie ist von eher schlichtem Gemüt. Wahrscheinlich war sie mit der Situation total überfordert“, mutmaßt der Beamte im Zeugenstand.

Manuela M.* (53) soll am 14. Oktober vorigen Jahres im „Kaufland“ in den Bahnhofspassagen ein Portemonnaie mit 140 Euro gefunden und behalten haben. Prompt flatterte der Arbeitslosen ein Strafbefehl über 200 Euro ins Haus. Dagegen legte sie Widerspruch ein. „Ich habe mir in meinem ganzen Leben noch nichts zuschulden kommen lassen“, beteuert die Potsdamerin während der Hauptverhandlung. „Im Gegenteil, ich helfe, wo ich nur kann.“ Dabei braucht Manuela M. wahrscheinlich selbst Hilfe. Sie ist verwitwet, gesundheitlich stark beeinträchtigt, hat einen behinderten Sohn, den sie – so oft es geht – aus dem Pflegeheim nach Hause holt.

Am Tattag habe sie im „Kaufland“ nach Süßigkeiten für Weihnachten geschaut, erzählt die zweifache Mutter. Plötzlich habe sie auf dem Gang vor sich eine Geldbörse entdeckt. „Ich habe sie aufgehoben und erst einmal eingesteckt. Wenn ich mit Einkaufen fertig gewesen wäre, hätte ich sie an der Information abgegeben“, versichert die Frau. Doch als sie von einer Kundin gefragt wurde, ob sie zufällig ein Portemonnaie gefunden habe, verneinte Manuela M. dies. Nachdem die Kundin einen Detektiv zu Hilfe rief, dieser die Hartz IV-Empfängerin aufforderte, ihre Tasche zu öffnen, weigerte sie sich zunächst, gab dann allerdings klein bei.

„Wenn ich eine Sache abgeben will, stecke ich sie nicht erst ein, sondern behalte sie gut sichtbar in der Hand“, erklärt der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft. Der Verteidiger versucht, eine Lanze für seine Mandantin zu brechen. Er verweist auf die geringe Distanz zwischen Kasse und Informationsstand, der sich selbstverständlich noch im Supermarkt-Inneren befindet.

Amtsrichter Thomas Lange spricht von „drei verpassten Gelegenheiten“ der Angeklagten, mit völlig weißer Weste aus der Sache herauszukommen. Dennoch regt er an, das Verfahren wegen geringer Schuld der bislang nicht Vorbestraften einzustellen. Diesem Prozedere müssen alle Prozessbeteiligten zustimmen. Der Staatsanwalt hat damit kein Problem. „Ein Freispruch wäre uns zwar lieber“, wirft der Verteidiger ein. „Frau M. wäre aber schon geholfen, wenn sie die für sie hohe Geldstrafe nicht zahlen muss.“ Die Angeklagte nickt und erklärt erleichtert ihr Einverständnis. (*Name von der Redaktion geändert.) Hoga

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