Landeshauptstadt: Gemeinschaft der „Schipp-Schipp-Hurra-Pioniere“
Wohnungsgenossenschaft „Karl Marx“ gibt Festschrift zum 50-jährigen Bestehen heraus
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Wohnungsgenossenschaft „Karl Marx“ gibt Festschrift zum 50-jährigen Bestehen heraus Von Karsten Sawalski Der „Geist der neuen Genossenschaft“ sei während der Gründerjahre deutlich zu spüren gewesen. Gerhard Zobel war dabei, als im Dezember 1957 der erste Spatenstich für 144 geplante Wohnungen an der Sandscholle in den märkischen Sand glitt. Zobel, der damals Baustatiker war, sitzt hinter einem Tisch mit weißem Tuch und erinnert sich: „Wir hatten keine Ahnung, was da auf uns zukommt“. Die aufmerksamen Gäste, die von der Wohnungsgenossenschaft „Karl Marx“ Potsdam e.G. am Dienstag zur Präsentation einer Festschrift in die ehemalige Seroannahmestelle der Waldstadt II eingeladen wurden, scheinen sich ebenfalls an die Gründerjahre zu erinnern. Einige nicken zustimmend, die meisten bleiben still, aber in ihren Gesichtern steht die innere Bewegtheit geschrieben. „Der Geist der Genossenschaft war immer dann zu spüren, wenn Probleme gemeinsam bewältigt wurden“, versucht Zobel das in wenige Worte zu fassen, was Zeitzeugen in der Festschrift „50 Jahre – Geschichte(n) der “Karl Marx““ anschaulich erzählen. Als „echte Herausforderung“ beschreibt die Broschüre die Erbauung des Wohngebietes Sandscholle unter dem Titel „Erste Projekte“ . Für das Bauvorhaben seien zunächst nur 144 Wohnungen geplant gewesen. Aber die Zahl der Genossen wuchs rasant: Von 160 Mitglieder im Jahr 1955 auf 579 zwei Jahre später. Also war bei der Grundsteinlegung die Anzahl der Wohnungen bereits verdoppelt worden und am Ende entstanden 408 neue. Beim gemeinsamen Schaufeln, beflügelt von einer „Aufbruchstimmung“ und mit dem Ziel, sich in der zerstörten Stadt Potsdam eine „neue Heimat“ zu schaffen, sei der „Geist der Genossenschaft“ spürbar gewesen, sagt Zobel, das Gründungs- und Vorstandsmitglied, sichtlich bewegt in das Mikrofon. Es bleibt still in der leergeräumten Annahmestelle für „Sekundär-Rohstoffe“. Das ehemalige Gebäude für Altstoffe wurde von der „Karl Marx“ kürzlich gekauft, sagt Ulf Hahn, heutiges Vorstandsmitglied der Genossenschaft. Für eine neue Nutzung gebe es noch keinen konkreten Plan. „Wohnungen gibt es heute genug, in den nächsten zehn Jahren müssen wir andere Wohnkonzepte anbieten“, blickt Hahn in die Zukunft. Der Blick in die Vergangenheit der Wohnungsgenossenschaft sei, wegen fehlender schriftlicher Quellen, nicht ganz einfach gewesen, berichtet der Journalist Martin Woldt über seine Recherche für die Festschrift. Obwohl Woldt noch nicht so alt ist, habe er die „Seele der Genossenschaft“ doch nachempfinden können. Der „Geist“ sei aber in den 70er Jahren allmählich untergegangen, als das „gemeinsame Schippen“ nicht mehr erforderlich war. Die Genossen, die in der Gründungsphase als „Schipp-Schipp-Hurra-Pioniere“ selbst Hand an ihre zukünftigen Wohnungen legten, wurden später durch die fortschreitende Technisierung im Bauwesen verdrängt. „Die Leute störten den Kran“, so Woldt. Die eigene Arbeitskraft hätten sie dann durch Geldleistungen ersetzt. „Aber Geld wirkt in der Gemeinschaft oft störend“, meint der Journalist.
Karsten Sawalski
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