Landeshauptstadt: „General“ Blochin: Wir vertreten 47 Millionen Ukrainer Keine Platzverweise für die Fans
1000 Zuschauer beim Training / Tausende Potsdamer vor Leinwänden / Enttäuschung bei Fan-City
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Showman, Pokerface und Alleinherrscher: Ukraines Trainer Oleg Blochin präsentierte sich bei seiner ersten Pressekonferenz im WM-Quartier von Potsdam provokativ, aber wenig informativ. Informationen zu Trainingszeiten oder Pressekonferenzen wurden als geheime Kommandosache behandelt, so als sei viele Jahre nach Ende der Sowjet-Herrschaft die Perestroika im Land des „Geheimfavoriten“ doch noch nicht angekommen.
„Natürlich wollen wir Weltmeister werden. Ein Soldat, der nicht General werden will, ist kein guter Soldat“, sagte Blochin. Der frühere Weltklasse-Stürmer, der in seinem Heimatland der sozialdemokratischen Partei angehört und seine Doppelfunktion als Parlamentarier und Trainer vor Gericht erkämpfen musste, sieht dem Turnier gelassen entgegen. Einen Seitenhieb auf die sportpolitischen Verhältnisse in seinem Heimatland konnte sich der 53-Jährige nicht verkneifen: „Man hat bei uns in den vergangenen Jahren nicht ein Stadion gebaut. Ich hoffe, dass sich die Regierung bald diesen Fragen stellt. Das ist wichtig für die Zukunft unseres Landes“, sagte Blochin, der seinen Patriotismus jedoch nicht verhehlen wollte: „Die 23 Spieler, die hier in Deutschland sind, vertreten die 47 Millionen Menschen in unserem Land. Das macht uns stolz.“ Zu personellen Angelegenheiten wollte sich der frühere Weltklasse-Stürmer, der 1975 zu Europas Fußballer des Jahres gewählt wurde und für Dynamo Kiew zweimal den Europapokal der Pokalsieger (1975 und 1986) gewann, nicht konkret äußern. PNN/sid
Schiedsrichter Shamsul Maidin hat die erste rote Karte bei der Fußball-WM gezogen – die Polizei in Potsdam musste dagegen noch keine Platzverweise für Fans aussprechen. Am Wochenende feierten tausende Menschen in der City ein Fußball-Fest, wie schon zum Auftakt am Freitag ist nach Polizeiangaben alles ruhig geblieben. Insgesamt seien am Sonnabend mehr als 10 000 Menschen über die Fan- Meile auf der Brandenburger Straße mit ihren 16 Ständen flaniert, etwa 5000 Zuschauer hätten sich die Spiele in der Public Viewing Area angeschaut. Im ukrainischen Fan-Zentrum auf dem Luisenplatz unter dem Motto „Kosaken in Europa“ machte sich dagegen inzwischen Enttäuschung ob des Zuspruchs breit.
Am ersten WM-Wochenende erfüllten sich die Erwartungen von Zeltdorf-Organisator Alexander Gevel nicht. Er setzt daher auf den Einstieg der Ukraine in den Wettbewerb am Mittwochnachmittag in Leipzig gegen Spanien. Gevel vermisst WM-Euphorie in Potsdam, die Leute seien noch „zu cool“.
Dass die Ukraine um Stürmer Andrej Schewtschenko nicht den Zuschauerzuspruch wie Brasilien, Niederlande oder England hat, zeigte sich bereits beim ersten und einzig angesetzten öffentlichen Training der Osteuropäer am Sonnabend. „Nur“ etwa 1000 ukrainische Anhänger fanden den Weg ins 10 000 Zuschauer fassende Stadion am Luftschiffhafen – das befürchtete Verkehrschaos blieb an diesem Nachmittag ebenso aus wie Gedränge auf den Rängen. Dass Training selbst verlief organisiert, akustisch verschönert durch Gesänge der ukrainischen Anhänger.
Platz genug war für Autogrammjäger wie André Wiedermann und Sohn Marco, die aus Ketzin anreisten, um Unterschriften von Trainer Oleg Blochin und Superstar Schewtschenko zu bekommen. Karten für die Spiele hat Wiedermann nicht, jedoch nach dem knapp zweistündigen Training ein Autogramm von „Schewa“, dem umjubelsten aller ukrainischen Spieler. Auf eine Unterschrift von Blochin wartete Wiedermann bis nach der Pressekonferenz, doch der 53-Jährige Fußballlehrer blieb all seinen Fans ein Autogramm schuldig. Während die Spieler sich geduldig, wenn auch wortkarg, Fans und Medien stellten, umging Blochin ein Bad in der Menge und erntete dafür ein „Viva Espania“ von einem Fan. Sauer war auch Wiedermann, der vor einer Woche die Unterschrift von Theo Zwanziger bekam und davor unter anderem die von Uwe Seeler, Lothar Matthäus und Jürgen Klinsmann. Alle haben sie im Buch „1000 Fußballer“ unterschrieben, das er zu Weihnachten geschenkt bekam. Blochin steht da auch drin, neben Schewtschenko als einer von zwei Ukrainern. Nun will der frühere Potsdamer an anderer Stelle versuchen, ein Autogramm des kantigen Trainers zu bekommen.
Von jedem Spieler eine Unterschrift bekam Oberbürgermeister Jann Jakobs – eingetragen ins Goldene Buch der Stadt Potsdam. Auf zwei Seiten hat sich die einzige WM-Mannschaft mit Quartier in Ostdeutschland im Beisein des ukrainischen Botschafters Igor Dolgov und der Sportbeigeordneten Gabriele Fischer verewigt.
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